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Titel: Inszenierte Fotografie I · S. 116 - 121
Titel: Inszenierte Fotografie I , 1986

Ulrike Ottinger

Eine Figur in Ulrike Ottingers Film ‘Dorian Gray im Spiegel der Boulevard-Presse’, Frau Dr. Mabuse, die Chefin eines Pressekonzerns, sagt: ‘Sehen wir das realistisch. Nicht mehr wir laufen hinter Personen, Persönlichkeiten, Skandalen, Sensationen, Katastrophen her, sondern wir schaffen unsere eigenen Personen, Persönlichkeiten, Skandale, Sensationen, Katastrophen. Unser Konzern wird einen Menschen schaffen, den wir nach unseren Vorstellungen formen und nach unserem Belieben führen.’ Bevor Helmut Kohl seinen ersten (vergeblichen) Anlauf zur Kanzlerschaft unternahm, verpaßten ihm die Werbestrategen eine neue Brille und eine bildgerechte Frisur. Nicht die Persönlichkeit zählt, sondern das Image. Ulrike Ottinger ist Filmemacherin und Fotografin, Kamerafrau und Ausstatterin, Choreografin und Poetin. Sie schafft in ihren Werken eine Welt der Fiktionen, die dermaßen fiktiv ist, daß sich in ihr unsere Realität zu erkennen gibt. Zur Kenntlichkeit verfremdet. Sie handelt über die Macht des Glamours. Ihrem Film ‘Madame X’ setzte sie ein Motto von Oscar Wilde voran: ‘Nur oberflächliche Menschen urteilen nicht nach dem äußeren Erscheinungsbild. Das Geheimnis der Welt ist das Sichtbare, nicht das Unsichtbare.’ Paradox: Die Oberfläche der Filme und Fotografien von Ulrike Ottinger ist tief. Am Schein der Oberfläche läßt sich das Sein der Wirklichkeit ablesen, wobei das Sein der faszinierend-verführerischen Bilder, indem sie eingefahrene Erwartungen listig durchkreuzen, den Schein der Realität zertrümmern. “… Was ich nicht in diese Oberfläche hineinstecke, kann man nicht dahinter sehen’, sagt die Autorin. Ulrike Ottingers Arbeiten verwischen die willkürlichen Grenzen der Gattungen: zugleich Oper und Essay, bilderstrotzende Erzählung und Dokumentar-Theater, fotografierte (gefilmte) Malerei und verdichtete Anschaulichkeit. Dorian Gray ist im gleichnamigen…

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