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Ausstellungen: München · von Heinz Schütz · S. 276 - 276
Ausstellungen: München , 1985

Heinz Schütz
Arnulf Rainers Theater Minetti

Theatermuseum, München

In seinen Blindzeichnungen (1951) schlägt Arnulf Rainer jenseits von rationaler Kontrolle, über die Bewegung der Hand eine Brücke von Innen nach Außen. – Das Außen, unsere Lebenswelt, geprägt von Rationalität und Pragmatik, erzwingt Beherrschung. Coolness ist die Maske in die sich pragmatisches Denken und reine Logik kleiden. Der Computer besitzt keinen Körper. Ausdruck ist immer leibgebunden. – In Rainers »Face Farce« (1970) erweist sich das Korsett des beherrschten Gesichtsausdruckes als Maske der Rationalität. Grimassierend verselbständigt sich der Leib und eröffnet jenseits der konventionellen Gesichtsstarre ein Feld emotionaler Abgründe.

Jenes Interesse am Ausdruck erklärt Reiners Faszination an einem Schauspieler wie Bernhard Minetti. Minettis Gesichtslandschaft ist, fern jeder Glätte, vom Alter gezeichnet. In seiner Schauspielkunst riskiert er Pathos, bewahrt jedoch immer einen Rest von Distanz. Mit ungewöhnlicher seelischer Kraft insistiert Minetti auf seiner Rollendarstellung und scheut selbst Manierismen nicht, wenn er, getragen von immenser Imaginationskraft, Gesichter schneidet.

Die Fotos – die der Serie »Theater/Minetti« zugrunde liegen – entstehen während einer Fernsehaufzeichnung, in der Rainer seine Arbeitsweise demonstriert. Von Rainer ständig beobachtet und angeregt, spielt sich Minetti ohne Text und Bühnenraum in verschiedene Rollen hinein. Die Abzüge, der dabei entstehenden Fotos, bearbeitet Rainer mit dem Zeichenstift. Behutsam, ohne Minettis Gesicht zu zerstören, überzieht er die Fotos mit »Linien, verstärkten Linien, erweiterten Linien, Zungen, Flammen, Gewächsen, Wucher« (Rainer).

Die Grundspannung der Serie, die sich an den zwei hochexpressiven Polen Rainer und Minetti entzündet, entlädt sich positiv, wenn der Liniengestus und der Ausdruck des Gesichts im Transindividuellen verschmelzen. Mitunter allerdings erzeugen die…


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