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Titel: Lebenskunstwerke · von Gia Edzgveradze · S. 148 - 149
Titel: Lebenskunstwerke , 1998

Gia Edzgveradze
Das eigenschaftslose Sein

Wer sich ungetäuscht wähnt, der irrt.
(Duchamps Schweigen)
Kunst ist immer Suche nach Wahrheit.
Barnett Newman

“Erblickst du Buddha, töte Buddha.” Dieser Schlüsselsatz der Zenmethode enthält das traurige, schroffe, in seiner Wahrhaftigkeit jedoch unschätzbare Wissen: Die absolute Wahrheit läßt sich innerhalb des begrenzten menschlichen Bewußtseins nicht auffinden. Jegliche Formbildung, die den Anspruch erhebt, diese absolute Wahrheit zu präsentieren, ist von Anfang an illusorisch und muß übertroffen, also aufgehoben werden, und zwar durch ihre Verwandlung im Zuge einer höheren Verallgemeinerung. Die so organisierte Dynamik führt letzten Endes zur Auflösung der Grenzen des Konkreten im reinen Körper der Irrationalität. Bei seiner Untersuchung von Abrahams unvorstellbarem Opfer kommt Kierkegaard erstaunt zu dem Schluß, daß es in unserer Realität keine Kriterien gibt, die die Beschaffenheit eines Glaubens vollständig bestimmen könnten, welcher einem Geschöpf diese unvorstellbare Handlungsfreiheit gestattet. Er nennt diese Glaubensform den irrationalen Sprung. Der Ort, wo dieser Sprung aufkommt, befindet sich außerhalb unseres Begriffsfeldes, jenseits unseres Raumes. Im System von Frage und Antwort fehlt prinzipiell die grundlegende Antwort. Das System selbst funktioniert im Rahmen der bedingten Wahrheiten. Die Fläche, von der unsere Fragen, Antworten, Hoffnungen, Wünsche, Ideale, Intuitionen, Spiele, Zweifel und so weiter reflektiert werden, steht frontal unserem Sein gegenüber, und indem sie alle diese Unsicherheiten konstatiert, spiegelt sie wiederum nur eine einzige Realität wider – die begrenzte. “Wir kennen das Klatschen mit beiden Händen, das doch das Klatschen einer Hand ist.” Die Wahrheit ist dort, wo für die Wahrheit kein Platz ist. Selbst das gute Spiel eines Schauspielers (das dann gut…



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