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Titel: Lebenskunstwerke · von Kari-Anne Mey · S. 230 - 237
Titel: Lebenskunstwerke , 1998

ZENTRALSTRASSE
Provisorium Utopie

VON KARI-ANNE MEY UND LUZIA BROGER (BILDER)

An der Wand hängt ein Tuch mit Mandala-Muster, von der Decke baumeln neonfarbene Riesenkugeln, in den Ecken stapeln sich orientalisch anmutende Bilder im Freakdesign der Siebziger. Zwei junge Männer diskutieren lauthals um die Benützung des Tonmischpults, der eine davon lässt einen “loop” laufen, der entfernt nach “Autobahn” klingt, dem Klassiker der deutschen Techno-Avantgarde Gruppe Kraftwerk, auch aus den Siebzigern: Das Atelier der Happy People Productions im September 1996.

Die Veranstalter von Goa-Technoparties hatten sich im geräumigen Dachstock des zukünftigen Karthago-Hauses an der Zentralstrasse 150 eingemietet und stellten hier ihre aufwendigen Party-Dekorationen her. Ein Besuch auf der Dachterrasse zwei Treppen weiter oben lässt einen den Produktionsstress im Atelier vergessen: hier bietet sich ein friedliches Bild – aus zahlreichen Blumentöpfen wächst ein veritabler Cannabiswald, ein Kinderbassin träumt vom letzten Sommer, der Uetliberg scheint zum Greifen nah.

“Dach: … Begrünung und Besandung (von der Wiese bis zur Wüste) … Gärten für Winter und Sommer … Bassin … schampar viel Psylo und Pfäffi für Aufregung und Beruhigung.”

Anfang 1995 hatte die Genossenschaft Karthago das Haus in Zürich-Wiedikon gekauft und bis zum Umbaubeginn im Oktober 1996 zwischenvermietet: Fotografen, Film- und Videoleute, Musiker, Grafiker, Architekten, Techno-Adepten und ein kurdischer Treffpunkt hatten hier in einer Art urbanem Labor neue Mischungen ausprobiert. Dass dieses Zusammentreffen auch schwierig sein konnte, lässt sich an der Geschichte des grossen Tisches im Parterre illustrieren, den der Schriftsteller Peter Weber und der Zeichner Simon Selbherr speziell für das Haus gezimmert hatten. Die Räumlichkeiten im Parterre waren ursprünglich als…


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