Der Marktwert, dieses schrecklich harte Kunsturteil
von Dirk Boll
Die Versuche, Kunst zu definieren, sind ungezählt. Kunst ist die Gestaltung eines seelisch-geistigen Gehalts durch eine eigenwertige Form nach bestimmten Gesetzen – so das Oberverwaltungsgericht Münster in einer grundlegenden Entscheidung zur Kunstfreiheit im Jahre 1959. 1 Abgesehen von der landläufigen Meinung „Kunst ist, was ich nicht kann” oder der Vorstellung von Joseph Beuys, „Alles“ könne Kunst sein, 2 kann eine Definition über deren Vermarktung hier weiterführen: Ein Werk ist dann Kunst, wenn es Käufer gibt, die dafür Geld bezahlen. 3
Möglicherweise spielte Geld schon immer eine Rolle bei der Einordnung von Kunst. Offenkundig wurde dies spätestens in den 1980er Jahren, als japanische Sammler Werke des Impressionismus erwarben und deren Karriere beförderten, nachdem britische Pensionskassen dort wenige Jahre zuvor ebenfalls investiert hatten. Oder in den 1990er Jahren, als beinahe jedermann begann, zeitgenössische Werke zu kaufen. Heute wird der Marktwert von Kunst als ein Faktor im Kanonisierungsprozess allgemein anerkannt. Man mag das bedauern, aber dabei wird es vermutlich bleiben. Die umfassende Transparenz, die mit dem Internet ins Marktgeschehen Einzug gehalten hat, verschafft dieser Entwicklung eine geradezu basisdemokratische Grundlage und macht ihr Auftreten zudem dauerhaft. Dass mehr als die Hälfte aller Auktionspreise für Werke der Bildenden Kunst 2014 weltweit unter 3.000 Euro lagen, zeigt gleichzeitig die wichtige Rolle, die der Markt für die Popularisierung der Künste spielt. 4
Obgleich der Kunstmarkt in seiner Form tradierten Regeln und Gesetzen folgt, hat er sich seit der letzten Jahrtausendwende so stark verändert wie nie zuvor. Er wird…