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Ausstellungen: Reykjavik · von Michael Hübl · S. 384 - 385
Ausstellungen: Reykjavik , 2008

Michael Hübl
Erhabenes Nirgendwo?

„Dreams of the Sublime in Contemporary Icelandic Art“
Reykjavik Art Museum Kjarvalstaðir, 18.5. – 31.8.2008

So stellt man sich Island vor: Felsen, die ihre scharfkantigen Falten in die Landschaft werfen. Das Grau in Grau eines wolkenverhangenen Himmels, das sich mit menschenleerer Ödnis mischt. Ein einsamer Wanderer auf dem spitzen Gipfel eines Berges. Die scharfen Kanten tief gefurchter Gletscherspalten. Blankes Eis und der kleine Mensch inmitten. Derlei Momente hat der isländische Fotograf Vigfús Sigurgeirsson (1990-1984) Ende der 1920er-Jahre in Schwarzweiß-Aufnahmen festgehalten. Natur pur, hart, Ehrfurcht gebietend. Besser hätte man kaum illustrieren können, was der Titel der Ausstellung „Dreams of the Sublime and Nowhere in Contemporary Icelandic Art“ verspricht. Das Erhabene, das Nichts und das Nirgendwo warten hier gleichsam vor der Haustür, und es braucht nur ein paar Schritte, um sich seiner Gegenwart zu vergewissern.

Ganz so einfach liegen die Dinge allerdings auch im hohen Norden Europas nicht. Schon die beiden großflächig präsentierten Fotokonvolute „The Glacier Series“ (1999) und „The Jökla Series“ (2004) von Ólafur Elíasson (*1967) lassen den Verdacht aufkommen, dass sich die Verhältnisse umgekehrt haben könnten – dass jetzt nicht mehr die Natur in ihrer Allmacht vor den letzthin hilflosen Menschlein gleichsam unerschütterlich aufragt, sondern dass gerade die Natur ihre Verwundbarkeit zeigt, ihre Hinfälligkeit offenbart: Jenseits aller Klimawandel-Debatten geben die Fotografien Elíassons zu erkennen, wie verletzlich die eisbedeckten Regionen dieser im Mittelalter offenbar noch bewaldeten Insel sind, die heute im Landesinneren zum Großteil aus Wüste besteht.

Die Unberührtheit der Natur ist eine Projektion,…



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