Thomas W. Kuhn
Homosexualität_en
Schwules Museum* – Deutsches Historisches Museum, Berlin, 26.6. – 1.12.2015
Ein Mann oder eine Frau? Das war oft die erste Frage, die das provokante Plakat zur Ausstellung “Homosexualität_en” aufwarf. Es zeigt eine bis auf einen Sportslip unbekleidete Person, muskulös, mit breiten Schultern, grellrot geschminkten Lippen und – im proportionalen Verhältnis zum Rest der körperlichen Gestalt – kleinen, gepiercten Brüsten. Den normativen Vorstellungen von Männlichkeit und Weiblichkeit wird eine Falle gestellt und Jens Bisky, in seiner Rezension für die SZ vom 27.6.2015, ist nicht der einzige, der hinein tappte. Die fotografierte Person ist die kanadische Künstlerin Heather Cassals, deren Erscheinungsbild das Ergebnis einer mehrmonatigen Aktion war, die in dieser androgynen Physis mündete.
Auch der Titel der Ausstellung beinhaltet einen Twist, der in dieselbe Richtung weist, wie das Plakat. Es handelt sich nicht einfach um den Plural des Begriffs Homosexualität. Es geht nicht nur um die Sensibilisierung für die Vielgestaltigkeit gleichgeschlechtlicher Lebensformen, sondern um die Thematisierung der ganzen Spannbreite sexueller Identitäten. Der Unterstrich zwischen dem Singular und der Pluralendendung ist der “Gender Gap”, der als Platzhalter für Varianten zwischen und jenseits von Männlichkeit und Weiblichkeit begriffen wird, wie auch damit einhergehender Formen der Sexualität jenseits von Hetero- oder Homosexualität. Entsprechend wächst beständig die Buchstabenkette LSBTTIQ als Abkürzung einer um Differenzierung bemühten Gruppe.
So richtet sich diese dritte große Berliner Ausstellung zum Thema Homosexualität, die 1984 mit der Schau “Eldorado” im Berlin Museum ihren Auftakt nahm und in der großen Präsentation “100 Jahre Schwulenbewegung” 1997 ihre Fortsetzung fand, grundsätzlich neu aus. “Die Ausstellung…