Hans-Dieter Fronz
Karikatur – Presse – Freiheit
»Honoré Daumier und die französische Bildsatire«
Staatsgalerie Stuttgart, 31.5. – 20.9.2015
Die Presse- und Meinungsfreiheit gehört zum Tafelsilber der westlichen Demokratien. Derart unauflöslich ist sie mit ihnen verwoben, dass diese, risse man sie heraus, für unser Verständnis aufhörten, Demokratien zu sein. Die Karikatur aber ist ihr Sahnehäubchen. Der Wahrheit nähert sie sich durch Zuspitzung und Übertreibung; ihre Werkzeuge sind Witz, Ironie und Esprit. Man muss den politischen Gegner auch mal verlachen dürfen – und es im Gegenzug erdulden, selbst verlacht zu werden. Karikaturen sind Bild gewordene Kritik, doch ihr Sinn ist auch: Dampf ablassen, sich im Geiste erheitert abreagieren. Wer sie als bösartige Herabsetzung denunziert, verkennt ihre im Grunde zivilisierende Funktion. Jeder, der eine Karikatur liest, weiß, dass es genau so eigentlich nicht gemeint ist. Insofern kann eine Karikatur gar nicht verletzen – höchstens treffen. Deshalb darf die Karikatur auch tatsächlich – wie Kurt Tucholsky einst befand – alles.
Über eine derartige Argumentation würde der Dschihadist, ließe er sich auf eine Auseinandersetzung überhaupt ein, nur lachen. Dass andere sich über seine Religion mokieren, fasst er als persönliche Beleidigung auf. Die grundlegende zi¬vilisatorische Lektion, dass es unterschiedliche Weisen gibt, die Welt zu sehen, hat er nicht gelernt und will er nicht lernen. Auf Humor reagiert er mit tödlichem Ernst; Ausmerzung ist sein Ziel. Ihn eines Besseren belehren zu wollen, wäre vergebliche Liebesmüh. Und weil er Entgegenkommen in Form von Selbstzensur oder Einschränkung der Pressefreiheit als pure Schwäche interpretiert, ist das, was die Debatte über islamkritische Karikaturen nach…
