Timm Ulrichs
Mein Kopf ist mein Atelier
Ein Gespräch von Michael Stoeber
1961 gründet der damals 21jährige Timm Ulrichs in Hannover eine „Werbezentrale für Totalkunst“. In Flugblättern, Manifesten und Programmen erklärt er, was er darunter versteht: „Totalkunst ist das Leben selbst.“ Für Ulrichs lässt sich dieses Projekt mit den traditionellen Mitteln der Kunst nicht mehr verwirklichen. Und so arbeitet er interdisziplinär, als Poet und Plastiker, Fotograf und Zeichner, Aktionist und Performer, Konzept- und Objektkünstler. Dabei wird ihm vor allem das eigene Leben immer wieder zum Stoff, aus dem er seine Kunst gewinnt. Sie ist nicht düster, archaisch und expressionistisch wie die der zur selben Zeit tätigen Wiener Aktionisten, sondern sprüht vor intellektuellem Witz, einer ins Paradox verliebten Ironie und analytischem Hintersinn. Diese Qualitäten verbinden seine Kunst mit den Werken des hannoverschen Merz-Künstlers Kurt Schwitters wie mit denen des klugen Sprachspielers Marcel Duchamp oder mit den Aphorismen des Göttinger Philosophen und Physikers Georg Lichtenberg.
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Michael Stoeber: Herr Ulrichs, aus Anlass Ihres siebzigsten Geburtstags rühmte der Oberbürgermeister der Stadt Hannover, Stefan Weil, Sie und Ihre Kunst in höchsten Tönen. Sie durften sich ins Goldene Buch der Stadt eintragen. Dort notierten Sie in hintersinniger Manier: „Lebenslänglich: 50 Jahre Wohn-Haft in Hannover. Lebend komme ich hier wohl nicht mehr heraus.“ Ist Ihre Beziehung zu der Stadt eine Art Hassliebe? So wie Samuel Beckett komplizierte Gefühlslagen mit dem lateinischen Wort „Nec tecum, nec sine te“, Weder mit Dir, noch ohne Dich, beschrieben hat. Oder wie müssen wir uns das vorstellen?
Timm Ulrichs: Sehen Sie, ich bin ja nach Hannover…