Michael Hübl
Die goldene Schüssel
Anmerkungen zur Volonté générale und zur posterioren Zustimmungsdemokratie
Das Schreckensdatum aller Zukunftsskeptiker, das George Orwell als Fanal gegen staatlichen Totalitarismus gesetzt hat, liegt bereits über ein Vierteljahrhundert zurück. Das bedeutet: Technisch ist Orwells Roman „1984“ reichlich veraltet. In manchem, was der Autor bald nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ersann, könnte man die prophetische Vorwegnahme von Apparaten erkennen, die heute zur Standardausrüstung öffentlicher Überwachungssysteme gehören. Die „telescreens“ etwa, mit denen im Reich des Großen Bruders per Gesetz die Wohnungen ausgestattet waren, sind gängige Massenware. Kaum ein Laptop ohne eingebaute Webcam. Wo es steht und online ist, wird jede noch so private Ecke zum „public space“, sofern es eine entsprechende Spyware erlaubt, den Rechner zu ferngesteuerter Kontrolle umzunutzen. Doch selbst dort, wo sich Parallelen ergeben mögen zwischen den einstigen Zukunftsentwürfen und dem, was dann Jahrzehnte später Wirklichkeit wurde, sehen die ach so kühn projizierten, gleichsam futuristischen Objekte irgendwie niedlich und nostalgisch aus. Wenn der Zauber des Überraschungseffekts verflogen ist, wird klar, dass die Vorausschau auf das, was kommen könnte, mit dem konstruiert wurde, was die eigene Gegenwart zur Verfügung stellt. Irgendwann gibt auch eine Kultserie wie die 1966 erstmals ausgestrahlte „Raumpatrouille“ ihre Geheimnisse preis, und sei es, dass ihr High-Tech-Arsenal aus umgemodelten Bügeleisen und Bananensteckern, Minenspitzern, Eisportionierern oder Geburtszangen besteht.
Werden nachfolgende Generationen die Aufzeichnungen der Schlichtungsgespräche in der baden-württembergischen Landeshauptstadt als ähnlich nett, amüsant, vielleicht befremdlich empfinden, wie man etwa heute die stilisierte Dancefloor-Gymnastik wahrnimmt, die Dietmar Schönherr als Commander Cliff Allister McLane und Eva Pflug als Agentin…