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Titel: 50. Biennale Venedig · von Michael Hübl · S. 280 - 283
Titel: 50. Biennale Venedig , 2003

UNGARN: Little Warsaw: András Gálik und Bálint Havas
Ungarn setzt auf die nackte Wahrheit. Das Duo Little Warsaw zielt mit seiner Arbeit auf Reflexion und Kritik institutioneller Aufarbeitung, Aufbereitung und Vermittlung von Kunst. Mithin wurde der Ungarische Pavillon ausgerechnet zur Jubiläumsausgabe der Biennale auf karg und kahl getrimmt. Selbst das hohe Glasdach des Atriums wurde entfernt, so dass jeder, der das Gebäude betritt, sofort spürt: Hier fehlt etwas. Dieser Eindruck von Mangel ist die perfekte Hülle für das ‘Werk’, das András Gálik und Bálint Havas alias Little Warsaw in Venedig präsentieren: Ausgestellt ist eine Frauenfigur aus Bronze. Die Frau ist nackt, und es fehlt ihr der Kopf – der Kopf der Nofretete.

Der ungarische Pavillon ist nur das bescheidene Dokumentationszentrum für eine lange und vielschichtige Geschichte, die am Ende sogar für kulturpolitische Verstimmung sorgte. In ihrem Bemühen, den konzeptuellen Ansatz ihrer Arbeit so zu gestalten, dass er gegenüber einem allgemeinen Publikum kommunizierbar bleibt, stießen die beiden Künstler auf ein Porträt, das zu einer Ikone abendländischer Schönheitsvorstellungen wurde: die Büste der Königin Nofretete, Neues Reich, 18. Dynastie, um 1340 v. Chr., Kalkstein und Gips, bemalt, heute im Ägyptischen Museum Berlin-Charlottenburg. Die Popularität dieses Kunstwerks, das an Bekanntheit alle anderen Darstellungen der Gemahlin Echnatons übertrifft, diente Little Warsaw als Vehikel für ein Statement, das den Eurozentrismus ebenso zur Diskussion stellt wie das via Werbung und Massenmedien ins Unterbewusstsein implantierte aktuelle Frauenbild. András Gálik und Bálint Havas haben dem Kopf einen Körper gegeben, aber diese bronzene Ergänzung widerspricht sowohl den wesentlichen Charakteristika der…

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