Edgar Schmitz
Väterreigen
Jonathan Meese: Thanks, Wally Whyton (Revendaddy Phantomilky on Coconut Islandaddy)
Stuart Shave/ Modern Art, London, 26.02.06-26.03.06
Dass sich Jonathan Meeses Londoner Bilderauftritt ausgerechnet an Noel Coward ausrichten muss liegt wohl an der Mischung aus Englishness und Lifestyle und Homosexualität und Witz, die Meese dann in Wortspiele und Maskenbilder übertragen kann. Der Theaterautor Noel Coward, der in Las Vegas als Akt wieder er selbst wurde; der Lebenskünstler, der hier zu Geisha und Engel wird, und kettenrauchend dann zu Dr Noel Meese mutiert.
Auch in der riesigen mythomanischen Leinwandlandschaft, die die Ausstellung dominiert, gibt es immer wieder viel Meese. Als Fotobordüre unterfüttert sein Antlitz in verschiedenen Verhüllungs- und Verkleidungsgraden vom immer präsenten Bart über Sonnenbrille bis zu Übermalung die Arbeit, und bindet so auch die Fruchtbarkeitskriegstiermenschfigur in der Mitte ebenso primitivistisch wie ironisch in die megalomanische Selbsterfindung ein. Die Arbeit ist auch hier insgesamt darauf angelegt, dass alles immer wieder zu Meese wird, dem Künstler auf der testenden Suche nach vielleicht doch noch verwertbaren Modellbildern oder zumindest modellartigen Fällen.
Seine Aneignungen von Nietzsche über Balthus bis Coward als popkulturelles Bezugsfeld zu beschreiben, unterschlüge dabei die Unangemessenheit, mit der die Vereinnahmungen hier stattfinden. Die eingezogenen Figuren und Zusammenhänge sind immer erstmal die Träume anderer, und genau daraus speist Meese die Energie, mit der das Zueigenmachen dann stattfindet. Noel Coward als Dandyfigur des frühen 20. Jahrhunderts, Balthus als Malerprophet oder der junge Sean Connery in Caligula und Joe D’Alessandro als Factory PinUp eröffnen bei Meese seit Jahren ein Panorama von Nicht-Idolen der Vorgängergeneration, die…