Dalí, der andere Koloss des 20. Jahrhunderts
Ein Gespräch mit Jean-Hubert Martin anlässlich der Retrospektive im Centre Pompidou
von Heinz-Norbert Jocks
Es ist lange her, dass das Werk von Dalí so breit und umfassend ausgebreitet wurde, und es ist bisher so noch nie dagewesen, dass er wie jetzt im Centre Pompidou als ein Virtuose erlebt und erfahren werden kann, der es meisterhaft verstand, auf den verschiedensten Klaviaturen der Kunst zu spielen. Als Maler ebenso wie als Schriftsteller, aber auch als Bildhauer, Filmemacher, Installationskünstler und Performer wechselt er zwischen den Künsten und scheint dabei doch immer nur an die Realisierung eines einzigen Gesamtkunstwerks zu denken. Immer noch ein Publikumsmagnet trotz aller Vorbehalte, die gegen ihn einst geballt vorgebracht wurden, und trotz der vernichtenden Urteile, die seine Größe für immer relativieren sollten, feiert Dalí derzeit eine Art Wiedergeburt. Wie kaum ein anderer verhalf er dem Surrealismus zu einer einzigartigen Popularität und Blüte, und er hat diesem mit seinen bis zur Perfektion und neuen Höhen getriebenen Doppelbildern um die phantastische Dimension des paranoischen Sehens bereichert.
Offenbar vorbei die Zeit, als man ihm nicht verzeihen mochte, für die Hinrichtungen während der Franco-Diktatur eingetreten zu sein, und endlich gekommen der Augenblick, da man, statt auf die ambivalente politische Haltung zu reagieren, die alles in den Schatten stellte und ihn in seiner Totalität als Künstler zu diskreditieren schien, sein Werk als solches sprechen lässt, um dessen Superbedeutung im Lichte unserer Zeit zu erkunden.
In dieser von Jean-Hubert Martin im kuratorischen Dialog mit Montse Aguer, Jean-Michel Bouhours und…