Paolo Bianchi
Das LKW
VOM GESAMTKUNSTWERK ZUM LEBENSKUNSTWERK ODER ÄSTHETISCHES LEBEN ALS SELBSTVERSUCH (TEIL I)
Ein neuer Wert in der Kunst ist erfunden. Die Ästhetik des Lebens als Kunstwerk ist nicht bloss Form, geschweige denn nur Technik, sondern zugleich auch ein Akt der Abwendung von Leben und Kunst um einer neuen, produktiven Zuwendung willen. Akt meint eine Ursache, die ihre Wirkung zeigt, wie jemandes Selbstmord ein Akt der Verzweiflung war. Wie der Tod ein Abschied, eine Trennung, eine Reise ist, die wir selbst vollziehen, so ist die Lebenskunst eine ähnliche Passage. Das Erlebnis der Welt geht in beiden einher mit der Erfahrung des Selbst. Im Mensch- und Lebensbild des subversiven Gastarbeiters verbinden sich Denken, Wort und Tat mit dem Ziel, sich von der Kunst zu befreien, um sein eigenes Leben leben zu können.
Ist der real existierende Mensch selbst das wahre Kunstwerk? Beginnt die Suche nach der Lebenskunst des neuen Menschen? Betreibt die Beschäftigung mit dem eigenen Lebenskreis, mit der eigenen Person einen Rückzug in den Elfenbeinturm? Rückzug statt Offensive? Die Niemandsbucht als Fluchtpunkt der Phantasie vom besseren Leben oder als Kulisse für inzwischen altbekannte Leiden typischer Generation-X-Vertreter? Das Leben als Elchtest? Oder sind neue Bewusstwerdungsprozesse im Gang: Rückzug als Offensive? Zu beobachten sind zunehmend neue Gangarten, neue Ordnungen, neue Einheiten wie auch neue Hybridkulturen, neue Medienvernetzungen, neue Crossovers. Die alte Vision des Gesamtkunstwerks verliert ihren Platz an der Sonne, was im Klartext meinte: Die Menschen nötigen, nur noch im Gesamtkunstwerk zu leben, weil dieses Kunstwerk die vollkommenste Wirklichkeit sei. Das hält niemand…