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Titel: Ressource Aufmerksamkeit · von Rolf Liese · S. 168 - 170
Titel: Ressource Aufmerksamkeit , 1999

ROLF LIESE
Der Blick nach links

EINE BILDSTRATEGIE, WIE UNSERE AUGEN GELENKT WERDEN

Vor kurzem haben Wissenschaftler vom Smith-Kettlewell Eye Research Institute in San Francisco festgestellt, dass Künstler bei Portraits seit Jahrhunderten und in vielen Medien ein Kompositionsprinzip befolgen: Wenn zwei Augen des Portraitierten zu sehen sind, dann befindet sich in aller Regel eines auf einer vertikalen Linie, die exakt durch die Bildmitte verläuft. Die Genauigkeit dieser Komposition scheint von den Künstlern nicht bewusst eingesetzt zu werden. Christoph Tyler sieht dabei “verborgene Prinzipien” am Werk, die unsere Wahrnehmung und ästhetische Urteile beherrschen.

Rolf Liese hat ein weiteres derartiges Kompositionsprinzip entdeckt, das bislang noch nicht “entdeckt” wurde. Bei Portraits werden, abgesehen von bestimmten Ausnahmen, die Dargestellten meist so ins Bild gesetzt, dass ihre Blicke nach links gehen und sie so auch den Blick des Betrachters nach links ziehen. Würden sie nach rechts blicken, so vermutet Rolf Liese, empfänden wir eine Irritation und würden wir aus dem Bild herausgezogen. Möglicherweise hängt diese Steuerung unserer Aufmerksamkeit mit der westlichen Schrift zusammen. In vielen Kulturen freilich gab es auch keine Bilder – und vor allem keine Portraits. (F.R.)

Ausgangspunkt war ein Vortrag über Grundformen der Bildkomposition und die These, dass es bei jeder Art von Komposition ein wesentliches Element gibt, nämlich den durch das Bild wandernden Blick am Verlassen des Bildes zu hindern oder ihn wieder zurück ins Bild zu holen. Meiner eigenen Erfahrung nach ging ich davon aus, dass wir entsprechend unserer Lesegewohnheiten im Abendland auch ein Bild von links nach rechts betrachten. Bei einem Text werden…


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