Petra Noll
Drawing now 2015
Albertina, Wien, 29.5. – 11.10.2015
Die Gattungs- und Materialgrenzen in der Kunst sind spätestens seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gesprengt; traditionell festgelegte Eigenschaften gelten nicht mehr ausschließlich für ein Medium. Auch die Zeichnung ist „befreit“ von der Fixierung auf Subjektivität, Intimität, Skizzenhaftigkeit, Spontanität… Selbst die Linie bleibt nicht verschont! Gleichzeitig greifen andere Medien nach zeichnungsspezifischen Merkmalen. Die von Elsy Lahner kuratierte Ausstellung bietet ein spannendes Update des Mediums der letzten zehn Jahre mit 36 internationalen Positionen der Jahrgänge 1960/1970. Die Ausstellung ist Teil einer Reihe, die vor knapp 40 Jahren gemeinschaftlich mit dem MoMA begonnen hat. Während die 1977 in der Albertina präsentierte Schau US-Pop-Klassiker fokussierte, liegt der jetzigen ein progressiverer Zugang zugrunde, was sich allein schon durch die Teilnahme von nicht ausschließlich etablierten Positionen sowie einer Mehrzahl von Künstlerinnen und Kollektiven zeigt.
Was kann eine Ausstellung wie diese leisten, wenn doch alle Haltegriffe obsolet geworden sind? Zum Ausloten einer subjektiven Position – nur darum kann es gehen – gibt es genügend Angebote, die zudem in stimulative Konfrontation gebracht wurden. Die KünstlerInnen expandieren in alle Richtungen, sie führen die Zeichnung in Richtung Skulptur, in den Raum, an die Wand, oder sie animieren Linien für Filme. Dennoch bleibt mehr als die Hälfte dem traditionellen Trägermaterial ‚Papier“ treu, wobei das Format aber häufig gesprengt und technisch über ‚Bleistift/Kohle/Tusche’ hinaus experimentiert wird. Eine Tendenz ist klar erkennbar: Die Ausstellung hält am Medium fest; es geht nicht um Auflösung, sondern um Erweiterung, die den zeitgemäßen Anschluss sucht – und findet….