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Nachrichtenforum · von Kathrin Luz · S. 18 - 39
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Ein Nachruf auf Kasper König

von Kathrin Luz

Mit oder ohne Hut, jung oder alt, schwarzweiß oder bunt, konzentriert und nachdenklich im Beisammensein mit Künstler*innen, ausgelassen bei Begegnungen mit Kolleg-*innen oder auch clownesk posierend für den einmaligen Schnappschuss… Ein nie gekanntes mono-thematisches Bildermeer durchflutete die letzten Tage die Instagram-Posts von Kunstmenschen und -institutionen weltweit: Porträts des soeben verstorbenen, durch viele Jahrzehnte hindurch immer so allgegenwärtigen Kasper Königs – wer hätte dazu nicht etwas beitragen können. Für manchen ist gar eine Ära zu Ende gegangen. Eine Ära, der wir in einer post-königlichen Zukunft ganz sicherlich sehnsüchtig nachtrauern werden. Allein, weil sie die Kunstwelt noch als eine verheißungsvolle Enklave des Anti-Bürgerlichen, als eine konsequente Verabschiedung vom Establishment erleben ließ, als ein aufregendes Paradies, in dem die ästhetische wie moralische Norm als eine Erfindung von gestern erschien.

Doch vielmehr trauern wir um den Menschen. Denn wir haben ihn verloren: Das große Enfant Terrible unter den internationalen Kuratoren, einen wahren Anarchisten in Werk und Wirkung. Einen mutmachenden, einen schrittmachenden Gefährten aus Zeiten, als es noch darum ging, Regeln zu brechen, statt welche aufzustellen. Gnadenlos, wenn Kleingeist im Anzug war – großzügig, wenn Gefolgsleute geschützt und gefördert gehörten. Furchtlos, wenn er, der Komplize der Künstler *innen, etwas durchsetzen wollte – furchterregend, wenn er, mit großer Gestalt, mächtiger Stimme und reichem Repertoire an Schimpfworten, seinen Unmut bekundete. Er war ein Autodidakt, der seine Ausnahme-Karriere in Amerika begann. Ob die elterliche Farbenfabrik im westfälischen Münster ihn auf den Weg zum Experiment Kunst gelockt und geschickt hat? König war ein echter Künstler-Kurator im doppelten Sinne. Nicht nur als Anwalt derselben, der ihre Interessen und Ideen schützte und vor allem verwirklichte. Auch und vor allem als inspirierender, kreativer, humorvoller Sparringspartner, der mit seinem riesigen Konvolut von collagierten Postkarten gut selbst als Künstler durchgegangen wäre.

An der Städelschule wurde er Lehrer und erfand den Portikus. In Münster trieb er mit seinem Team das Format der Kunst im öffentlichen Raum zur Höchstform, die in der konservativen hübschen Universitätsstadt maximale Sprengkraft entwickelte. Im geschundenen Köln am Museum Ludwig lernte er einmal mehr mit Entschiedenheit politisch zu agieren – er war zusammen mit Rosemarie Trockel und Marcel Odenbach Teil der Loch-Initiative, die sich gegen urbanistische Ignoranz und städtebaulichen Bankrott wehrte. Mit dem Kunst(-markt-)geschehen und seinen spekulativen Entwicklungen hatte er schon vor einigen Jahren zunehmend abgeschlossen und lästerte gerne über den verkommenen Zirkus, der den alten Zirkusdirektoren entglitten war. Eingebettet in eine kunst-affine Familiendynastie durfte er Freud und Leid erleben, was es bedeutet, wenn alle irgendwie der Kunst verschrieben und damit in ihr „verstrickt“ sind. Eines aber besaß er nicht: Die Liebe zum großen Wort, zum langen Text. Digitaler Analphabet bis zum Schluss, waren es die legendären collagierten Postkarten, über die sich seine Marke bildete, sein Netzwerk so maßlos expandierte und postalische Verbindlichkeiten im Din A6 generierte. Die raffinierten anspielungsreichen Motive gehören von nun an definitiv der Kunstgeschichte an. Meistens versehen mit klausulierten Botschaften, nicht immer einfach und eindeutig zu entziffern, bisweilen ja auch im gesprochenen Wort durchaus eigen, einer nicht uncharmanten „Over-Performance“ nicht abgeneigt. Auch die Direktiven fürs Team kamen oft über die kleinen rechteckigen Grüße, kamen sie zu spät und war längst anders entschieden und gehandelt worden, war es auch okay. Es ist ja nur Kunst und kein Krieg. Das war einer der prägendsten und bezeichnendsten Leitsprüche des wilden Denkers und kühnen Ausstellungsmachers. Ja, so viele weitere Sprüche und Bilder im Kopf, so viele prägende Erinnerungen an den unerschrockenen Mentor: Mit der WESTKUNST schuf er für viele das Initiationserlebnis für ein Leben mit der Kunst. In Köln holte er zu seinem Antritt im Museum Ludwig mit Matthew Barney noch einmal maximale Begeisterung aus der inzwischen eher strudelnden als sprühenden Kunststadt heraus. In Münster bei den Skulptur Projekten ließ er mit Ayşe Erkmen die Besucher*innen übers Wasser gehen, verletzte sich dabei selbst und kuratierte vom Krankenhaus aus weiter. In St. Petersburg trat er die plötzlich versiegelten Türen seiner Ausstellungsräume in der Eremitage ein und öffnete dieselben für eine Kunst im Geiste politischer Freiheit und entschiedener Haltung – von großen Künstler*innen wie Nicole Eisenman, Wolfgang Tillmans und Boris Mikhailov. Eine Legende geht – die Erinnerungen bleiben, so lange es den Kunstbetrieb gibt.

Auf einem Foto vor einem Werk von Katharina Sieverding im Salon Berlin des Museum Frieder Burda sieht man ihn – ähnlich der klassischen Pose der Mariä Himmelfahrt – mit Blick nach oben, ein wenig skeptisch, ein wenig drohend. Es war zufälligerweise der Moment, wo er mir gestand, dass die Krankheit bereits lauert und auch sein Leben möglicherweise ein begrenztes sein könnte. Ob er, der schonungslose Kämpfer gegen jede Konvention, der mit seiner münsteranisch-katholischen Sozialisation immer ebenso haderte wie er sich mit ihr identifizierte, inzwischen ganz oben angekommen ist? Bestimmt hat er das Board dort längst überzeugt, die nächsten Skulptur Projekte finden im Himmel statt. Rest in Power, lieber, verehrter Kasper König.

Kathrin Luz, von 2003–08 Autorin des KUNSTFORUMs und ZEIT-Kunstkritikerin, arbeitete viele Jahre im Bereich Kommunikation / PR mit Kasper König für das Museum Ludwig, die Kölner Loch-Initiative, die Skulptur Projekte Münster, die Manifesta in St. Petersburg und zuletzt für seinen schönen Postkarten-Kalender im Verlag Strzelecki zusammen.