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Titel: Parallele Kunst · von Eva Krings · S. 132 - 136
Titel: Parallele Kunst , 1992

Eva Krings
Gewaltfrei, ökologisch, sozial…

Aporien einer »anderen« Kulturpolitik

I.

Als Die Grünen 1983 zum ersten Mal in den Deutschen Bundestag einzogen, betrat damit auch ein anderes Kulturverständnis die Bühne der etablierten Politik. Anders als die bis dahin im Parlament stilprägende Altersgruppe des Wiederaufbaus, die in Kunst und Kultur vor allem überzeitliche Schön- und Wahrheiten gegen die Wirren der Zeit suchte, verknüpften die nun vertretenen “68er” ausdrücklich kulturelle Produktionen und soziale Erfahrung.1

Die damit verbundene Säkularisierung von Kunst und Kultur bedeutete eine erste breit getragene lebenspraktische Absage an die Tradition einer Kulturauffassung, die selbst die deutsche Arbeiterbewegung weitestgehend reproduziert hatte.

Dieser spezifisch deutsche Kulturbegriff trennt, anders als etwa Konzeptionen des englischen und französischen Sprachraums, Alltag, Ökonomie und Politik deutlich von geistigen Belangen und betrachtet erstere als “kulturfern”.

Der Soziologe Norbert Elias nennt verschiedene Gründe für diese deutsche Besonderheit.2 Im Vordergrund stehen sozialstrukturelle Ursachen: Die deutschen Kulturträger des 18. Jahrhunderts waren vorwiegend finanziell abhängige und politisch einflußlose Beamte. Ihre Aufwertung geistiger und innerer Werte spiegelt ihre soziale Situation und Perspektive – Machtlosigkeit, Überkompensation, aber auch hegemoniale Ansprüche.

Das Kulturverständnis der Grünen ist anders zusammengesetzt, doch ebenso überdeterminiert. Die romantische Sehnsucht, Kunst in Lebenspraxis zu überführen, spielt hier ebenso eine Rolle wie die Überzeugung, einzig in der sinnvollen Gestaltung gesellschaftlicher Verhältnisse erweise sich die wahre Kunstfertigkeit. Das Ästhetische gilt einerseits als Sphäre eigentlicher Lebensqualität (Freiheit, Selbstbestimmung, Kreativität, Intuition), andererseits als Schleier über den wirklichen, sprich: Überlebens-Problemen.

Im Unterschied zu anderen Themenfeldern werden diese verschiedenen Positionen jedoch kaum strömungskonform besetzt, eher bilden sie schwer durchschaubare Komplexe im Denken der einzelnen KulturpolitikerInnen.

Selbstironisch…


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