Rainer Metzger: Relektüren
Folge 28
Lewis Mumford, Die Stadt. Geschichte und Ausblick, Köln/Berlin: Kiepenheuer & Witsch 1963; Taschenbuchausgabe München: dtv 1979. Im amerikanischen Original: The City in History, New York 1961
Auf der letzten Seite fasst der Meisterdenker das, worum es ihm geht, so, wie es sich gehört, zusammen. Es ist, in der deutschsprachigen Ausgabe des dtv-Verlags mit der Übersetzung Helmut Lindemanns, die 673. Seite, und das Thema wird elfmal benannt. Zehnmal steht das Thema im Singular: „Die Stadt“, einmal kommt es im Plural vor: „Die beste Ordnung der Städte liegt in der fürsorglichen Pflege des Menschen“. 10 : 1 für den Kollektivsingular, und es scheint, dass Lewis Mumford das Allgemeine und Generelle und über den Kamm Geschorene, das er in einer Unmenge an historischen Beispielen und in unermüdlicher Polemik zu inkriminieren suchte, doch wieder eingeholt hat. Eigentlich wollte er der Vielfalt das Wort reden, der Komplexität und einer Form von Sozialität, die nur in der Mehrzahl zu haben ist. Doch Lewis Mumfords Monumentalwerk ist doch Denkmal einer Sattelzeit: Die großen Erzählungen, die stets eine Teleologie im Gepäck haben, machen sich geltend in seiner Darstellung. Die Entwicklung der Städte ist also zielgerichtet, und es ist, im Großen und Ganzen, eine in Richtung Verfall. Es gab und gibt eine Alternative zur Systemtheorie, die die Welt gern der Kontingenz überantwortet. Es ist die Verschwörungstheorie, und Mumford leistet sie sich ziemlich hemmungslos.
In der Praxis war er da wenige rigoros. In den fünfziger Jahren hatte es ein erstes Aufbegehren gegen die gleichmacherischen, regulatorischen, von Autogerechtheit…