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Titel: Kunst und Geld · von Jürgen Raap · S. 94 - 95
Titel: Kunst und Geld , 2000

p.t.t. red: Wallstreet – Moneyfield

1995/96 hatten Stefan Micheel und HS Winkler (Gruppe p.t.t. red) vom Berliner Kultursenat das PS 1-Stipendium für einen einjährigen New-York-Aufenthalt erhalten. “Die Gesamtsumme der monatlichen Zuwendungen wurde mit ,p.t.t. red-Dollar /Geld für kulturelle Angelegenheiten’ gestempelt und in Umlauf gebracht” – für Ausgaben des täglichen Bedarfs. Echtes Geld wurde also künstlerisch angereichert, es behielt seinen Wert, wurde aber nicht zum Kunstwerk, sondern blieb so lange Zahlungsmittel, bis die amerikanische Notenbank beim routinemäßigen Einziehen verschmutzter und beschädigter Geldscheine auch diese gestempelten Noten aus dem Geldkreislauf herausnahm. Eine künstlerische Geste fand allgemeine Verbreitung im Alltag, durch simples Weiterreichen der Noten an Supermarktkassen, in Cafés und Restaurants. Diese Geldscheine unterschieden sich nicht untereinander, wohl aber zu den “normalen” Noten. Auch amerikanische Rinderzüchter “stempeln” ihr viehisches Eigentum mit einem Brandeisen – hier jedoch markierte der Stempel keinen Eigentumsvorbehalt, sondern lediglich die Herkunft. Der Poststempel entwertet eine Freimarke, bei Geldscheinen liegen die Kriterien der Ungültigkeit jedoch woanders: manche Notenbanken verpflichten sich, auch auseinander gerissene Geldscheine einzutauschen, solange noch die Seriennummer auf dem Abriss vollständig erkennbar ist.

Im September 1995 klebte p.t.t. red an verschiedenen Stellen der Wall-Street mit Sekundenkleber einhundert 25-Cent-Münzen auf dem Bürgersteig fest. Mit Polaroids und Videos wurde dokumentiert, wie Banker, Broker und andere Passanten versuchten, sich dieses Geld buchstäblich “unter den Nagel zu reißen”, d.h. mit den Fingernägeln abzureißen, in den meisten Fällen freilich vergeblich. Einige Obdachlose waren besonders hartnäckig und pfiffig – sie besorgten sich Hammer und Meißel, um die Münzen abzuschlagen.

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