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Titel: Kunst im Licht von Konkurrenz ... · von Sabine Poeschel · S. 90 - 111
Titel: Kunst im Licht von Konkurrenz ... , 2005

SABINE POESCHEL
PARAGONE – “EIN DUELL VORTREFFLICHSTER KÜNSTLER”

ZUR GESCHICHTE VON KÜNSTLERKONKURRENZ UND KÜNSTLERKAMPF

Merkur, der erfindungsreiche Schöpfer der Schrift und eloquente Redner, galt als göttlicher Schutzpatron der Künste.2 Hendrik Goltzius zeigt ihn daher als Maler mit Pinseln und Palette als Attributen, sein Caduceus ist gleichzeitig ein Malstab. Als Pendant stellt Goltzius ihm Minerva, die Göttin der Weisheit und als Erfinderin der Weberei ebenfalls eine Künstlerin, gegenüber. Beide haben ihre Feinde in den Hintergrund gedrängt, Minerva den Ignoranten Midas mit den Eselsohren, der durch sein falsches Kunsturteil in den Mythos einging, bei dem er das ländliche Gedudel des Faun höher einschätzte als das erhabene Kytharaspiel des Musenführers Apollo. Hinter Goltzius’ Merkur erkennt man eine Frau, die ihre gespaltene Zunge nach dem Malergott ausstreckt und ihm eine als boshaft verschriene Elster entgegenhält: sie ist die Personifikation der Verleumdung, die zum Künstler gehört wie die Ignoranz zur Weisheit.3 Die boshafte Nachrede, die den Künstler ständig begleitet, stammt dabei von der Konkurrenz. Künstler wurden aufgrund ihrer schöpferischen Begabung, dem ingenium, seit der Antike als Ausnahmeerscheinung der Gesellschaft empfunden, nicht selten als göttlich betrachtet. 4

Die bewunderte Schöpferkraft aber erwies sich, so weiß es zumindest die Überlieferung, häufig gepaart mit charakterlichen Bizzarrerien, bei denen Neid und Rivalität die irritierendsten Blüten trieben,. Giorgio Vasari lobt daher an Raffaels Charakter ausdrücklich Bescheidenheit und Freundlichkeit, während die meisten Künstler von der Natur eine gewisse Dosis Tollheit und Unbändigkeit mitbekommen hätten. Die Vorzüge Raffaels seien so selten, so betont Vasari, dass Raffael kaum ein Mensch zu nennen sei, sondern ein sterblicher…


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