Rainer Unruh
Sinn + Sinnlichkeit:
Körper + Geist im Bild
Neues Museum Weserburg, Bremen, 21.5. – 27.8.2000
Es ist wie etwas aus einer andern Welt, wie etwas, das man noch nie gesehen hat. Von den ersten Menschen auf dem Mond sagt man, sie hätten Schwierigkeiten gehabt, die Farbe des Gesteins auf dem Erdtrabanten zu bestimmen, so sehr fehlte ihnen der irdische Vergleichsmaßstab. Ähnlich fremd erhebt sich an der Stirnseite des Ausstellungsraums in der Neuen Weserburg Bremen ein drei Meter hoher und drei Meter breiter Kubus. In dem weißen Würfel ist eine runde Öffnung eingelassen. Die Ränder sind entsprechend dunkel, weil sie weniger Licht reflektieren. Doch entgegen allen Regeln der Wahrnehmung nimmt die Helligkeit nach innen zu, obwohl dort, wo das Loch am tiefsten ist, auch die größte Dunkelheit herrschen müsste. Dank der ausgeklügelten Lichtregie scheint sich das Innere der Höhlung noch vorne zu schieben. Man hat den Eindruck, es schwebe im Zentrum des Kubus ein weißes Licht, das sich vor das Objekt schiebt. Die in jeder Hinsicht brillante Arbeit von Anish Kapoor (Jahrgang 1954) führt mitten hinein in das Thema der Ausstellung „Sinn + Sinnlichkeit“.
Um nämlich den raffinierten Angriff des in London lebenden Inders auf unsere Wahrnehmungsgewohnheiten zu durchschauen, muss der Betrachter seine eigene Position ändern. Erst wer sich neben „White Dark VI“ (1998) stellt, erkennt die richtigen räumlichen Verhältnisse. Kapoors Arbeit führt eine Einsicht Maurice Merlau-Pontys vor Augen, dass nämlich, „mein Leib der Angelpunkt der Welt ist“. Seine Koordinaten in Raum und Zeiten bestimmen, was wir und wie wir erkennen. Hanne Zech,…