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Ausstellungen: London · von Edgar Schmitz · S. 372 - 373
Ausstellungen: London , 2004

EDGAR SCHMITZ
Turner Prize 2003

Tate Britain, London, 29.10.2003 – 18.1.2004

Eine Ausstellung, wie die jährlich zum Turner Prize eingerichtete, ist Ausstellung eigentlich nur in einem mehrfach verunmöglichten Sinn: gezeigt werden nicht die Arbeiten und Ausstellungen selbst, für die die jeweiligen Positionen auf der Shortlist erscheinen, sondern vielmehr Präsentationen für die Tate, die irgendwie stellvertretend zu sehen sind. Und damit sind sie immer zweierlei: einerseits Samples mit hohem Wiedererkennungswert, die übergreifende Problemstellungen der jeweiligen Arbeit illustrieren; und andererseits Präsentationen, die genau auf diese Rahmenbedingungen reagieren müssen. Was immer in der Tate zu sehen ist, wird notwendig auch gegen Erwartungshaltungen des Musealen gelesen und spiegelt Strategien des Umgangs mit ihnen.

Willie Dohertys Videoinstallation kann dieser mindestens doppelten Verfasstheit den geringsten Widerstand entgegenhalten und wird unter ihren Bedingungen fast restlos im Klischee vereinnahmt: auf zwei gegenüberliegenden, wandfüllenden Leinwänden rennt ein Mann im Anzug über eine nächtlich erleuchtete Brücke. Auf der einen Seite erscheint er in Vorderansicht, auf der gegenüberliegenden von hinten, so dass der Betrachter unausweichlich zwischen den beiden Ansichten eingebunden ist. Seine Bewegungen durch den Raum dynamisieren und spiegeln die Bewegungen im Film – die des rennenden Mannes, die des ständigen abrupten Wechsels zwischen Kameraperspektiven, die des doppelten Loops.

Was ansonsten auch eine widersprüchliche Form von Verfasstheit sein könnte, wird dabei zur rein additiven Illustration. Doherty arbeitet immer wieder mit Nordirland als politischem und historischem Material, und so ist auch hier die Brücke nicht nur klischeebesetztes Versatzstück filmischer Dramatik, sondern auch spezifisch die Craigavon Brücke in Nordirland, die die protestantischen und katholischen Teile (London)Derrys voneinander…


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