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Gespräche mit Künstlern · von Doris von Drathen · S. 288 - 299
Gespräche mit Künstlern , 1996

JEAN-PIERRE BERTRAND:
»Auf dem Spiegel gibt es keinen Schatten«

EIN GESPRÄCH VON DORIS VON DRATHEN

Jean-Pierre Bertrand ist 1937 in Paris geboren und lebt auch heute dort. Seine Arbeit hat eine große lyrische Schönheit. Bei näherem Hinschauen aber entdeckt man eine obsessive Seite, mit Zahlen und Materialien umzugehen, die zu einer Gratwanderung zwischen verrücktem Spiel und spielerischer Verrücktheit wird. Eine Unterhaltung mit diesem Künstler läßt die Grenze erst recht verschwimmen. Immer wieder weiß er, ein Stück sein Geheimnis zu erklären, gerade soviel, als daß man merkt, er wird es nie preisgeben.

*

D. v. D.: Sie können Ihre Arbeit kommentieren, über die Zahl 54 etwa sprechen, über komplizierte arithmetische Tüfteleien, für mich haben die meisten Ihrer Arbeiten die Schönheit eines schweren Chorals, wirken auf mich so etwa wie eine Art Trauerarbeit. Vor allen Dingen hat in meinen Augen eine Ihrer ersten Arbeiten, “The Daily Memorandum”, 1972, diese Anmutung: 54 auf der Wand ausgebreitete Photographien von immer demselben Fensterausschnitt, von immer demselben Buch, das vor dem Fenster aufgeschlagen liegt, dessen Seiten aber im Gegenlicht weiß erscheinen; neben dieser Photoserie 54 abgeschriebene Auszüge aus dem Buch, nämlich aus dem Tagebuch von Robinson Crusoe …

J.-P. B.: Das hat gewiß etwas mit Trauerarbeit zu tun, im psychoanalytischen Sinn, also mit dem “verlorenen Gegenstand” – aber bevor wir darüber sprechen, möchte ich zunächst einfach ganz genau erzählen, was ich da eigentlich gemacht habe. Das war der Sommer 1972. Ich war im Schwarzwald. Und was mich dort jeden Tag – völlig zufälligerweise 54 Tage lang – beschäftigt hat, war…


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von Doris von Drathen

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