HANS-DIETER FRONZ
Call me ISTANBUL
ist mein Name
Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe, Lorenzstr. 18.4.- 8.8.2004
Tanzende Derwische in Vahap Avsars kinetischer Installation wie in Genco Gülans 3D-Computeranimation oder Selcuk Gürisiks Rauminstallation mit Kaftans aus Filz. Während Yogurt Technologies, eine Gruppe von Künstlern und Ingenieuren, eine Bauchtanzperformance per PC-basiertes Animationssystem in Echtzeit auf eine Videowand überträgt. Die Ausstellung im Karlsruher Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM) will die Verhältnisse – und die kulturellen Klischees und Vorurteile – offensichtlich zum Tanzen bringe. “Call me ISTANBUL ist mein Name”, so der Titel der Schau, reflektiert den Spagat der Stadt am Bosporus zwischen islamischem Erbe und (bereits im englischsprachigen Teil des bilingualen Titels anklingender) Verwestlichung. Schmelztiegel der Kulturen mit einem jährlichen Zustrom von über 200.000 Immigranten (dreimal soviel wie New York!), ist die 17-Millionen-Metropole für ZKM-Direktor Peter Weibel so etwas wie eine urbane Vision für die Zukunft Europas: Mega- oder besser “Metapolis”, eine Über-Stadt, die sich mit ihrem funktionierenden Chaos als im Hier und Jetzt sich realisierendes utopisches Lösungsmodell interkultureller Konflikte anbietet. Die Ausstellung selbst will eine “durchlässige Membran zwischen dem Istanbul der Gegenwart und dem Europa der Zukunft” (Weibel) sein. Die architektonische Mauer, die sie durchzieht, zitiert demgegenüber die Ikonografie einer politischen Repräsentation, die von ihr kritisiert wird.
Schon im 19. Jahrhundert war das “Paris des Ostens” ein Schauplatz, auf dem die Gegensätze zwischen islamischer Tradition und westlicher Zivilisation offensiv und richtungweisend ausgetragen wurden. Scheiterte die “Modernisierung von oben” im osmanischen Reich noch an der Traditionsverbundenheit der Muslime, so hat der dezidiert laizistische Kemalismus das…