Martina Weinhart
Den Tod im Nacken
Über die Dekonstruktion der Selbstdarstellung in der zeitgenössischen Kunst
Paradoxie der Star-Ikonen (Andy Warhol)
“Wenn Sie alles über Andy Warhol wissen wollen, müssen Sie nur auf die Oberfläche achten: auf die von meinen Bildern, meinen Filmen und von mir. Dahinter gibt es nichts”1, sagt einer, der wohl als Ikone der Selbstdarstellung zu gelten hat, 1967 in einem Interview. Damit hat Warhol ein eminentes Phänomen markiert, das sich nicht allein über seine eigene Arbeit legt, sondern vor allem nach ihm das gesamte Genre der Selbstdarstellung erschüttert. Dabei geht es um nicht weniger als die Aushöhlung des Genres des Selbstportraits.
Gerade die Selbstportraits von Andy Warhol leben aus einem Widerspruch, wenn nicht gar aus einem Paradox. Mannigfaltig und in großer Zahl treten sie uns als omnipräsente “Star-Ikonen” entgegen. Gleichzeitig sprechen sie jedoch in der Sprache einer entpersönlichten, entsubjektivierten Kunstproduktion von einer gewissen Unerfüllbarkeit der Individualität. Kurz: Sie leben aus einer Verweigerung. Was ihnen fehlt, ist die psychische Immanenz des gestischen Malens oder Zeichnens, vor allem aber die exklusive Beziehung des Künstlers zu seinem eigenen Bild. Dies ist jedoch keineswegs als Mangel zu verstehen, sondern als offensives Misstrauensvotum gegenüber der Repräsentationsfähigkeit des eigenen Bildes und seiner Fähigkeit des Ausdrucks von Subjektivität formuliert.
Bereits das erste Selbstportrait in Siebdrucktechnik von 1963/64 sabotiert eine konventionelle Struktur der Selbstdarstellung (Abb. 1). Es entsteht als Auftragsarbeit der Sammlerin Ethel Baron und verwendet als Produktionsapparat die triviale Maschine des Fotoautomaten. Dem Konzept des exklusiven Bildes, wird das Prinzip des Seriellen einer Automatenproduktion entgegengesetzt und um die Verweigerungsstrategie…