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Titel: Die Kunst der Selbstdarstellung · von Marc Mercier · S. 120 - 123
Titel: Die Kunst der Selbstdarstellung , 2006

Marc Mercier
Das Selbst ohne Personenkult

Short Cuts 4: Chantal Michel

Im Anschluss an den Text von Irene Schubiger über die “Selbstdarstellung in der Videokunst der 70er- und 80er-Jahre” beschreibt der französische Kunstkritiker Marc Mercier das Schaffen der Schweizer Video- und Performance-Künstlerin Chantal Michel. Im Fokus des Interesses stehen vier Videoarbeiten aus den 90er-Jahren, die einen spannenden Blick auf Michels Kunst der mannigfachen Selbstinszenierung als “einen Körper im Aufblühen” werfen. Die Künstlerin pflegt einen Stil, der sich durch die Performativität des Selbst als Identität erschafft – als Persönlichkeit ohne Personenkult.

Befreiende Bewegung. Haben Sie schon einmal beobachtet, wie ein in einer Schachtel eingeschlossenes fliegendes Insekt um sich schlägt? Das ist ungefähr das, was ich empfunden habe, als ich die Videoarbeit und ich will (1998; Abb. 1a und b) der Schweizer Künstlerin Chantal Michel (*1968) sah. Eine Bewegung, die genauso gut auch die Bewegung einer choreografischen Phrase sein könnte, wird hier mit digitalen Mitteln beschleunigt und wiederholt. Der Körper der Tänzerin hebt sich vom weißen Hintergrund ab, bewegt sich auf uns zu, weicht zurück, um wieder auf uns zuzukommen und erneut zurückzuweichen. Dem Ton widerfährt das gleiche Schicksal wie dem Bild. Das Ganze ergibt einen fast animalischen Gesamteindruck und ruft eine seltsame Unruhe im Betrachter hervor. In Wirklichkeit wohnen wir nicht einer Mensch-Tier-Metamorphose bei. Was Chantal Michel hier einfängt, könnte man eher das Tierwerden (Bienenwerden) des Menschen nennen, eines fast tierischen Menschen, der sich selbst fast fremd ist – fremd in dem Sinn, in dem Deleuze davon sprach, dass die Poesie eine fast…


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