Paolo Bianchi
Das Selbst als Avatar
Short Cuts 2: Thomas Feuerstein
Im Anschluss an seinen Text “Das Selbst als Server” steht hier Thomas Feuersteins Kunstproduktion im Fokus des Interesses. Als Künstler verwendet Feuerstein oft Doubles seiner selbst, um diese in fiktive und narrative Zusammenhänge zu stellen. In seinem Text schreibt er an zentraler Stelle:” Nicht die Identität zwischen Künstler und Werk, zwischen expressivem Gestus und Person, sondern die Differenz zählt. … Und erst über die iterative Rückfütterung dieser Differenzen ereignet sich ein Akt selbstreferentieller Selbst-Setzung.” Feuersteins Kunstfiguren nehmen als Selbst-Setzungen mehr plastische Form an als das wirkliche Leben. Alles erscheint als eine Abfolge von Träumen und Texturen, Schachteln in grösseren Schachteln, das Ganze eine Geschichte aus lauter Geschichten.
Bei der Lektüre von “Das Selbst als Server” kommt man an die Frage, welchen Sinn es macht, so viel an Denkmaterial in einen Text einfliessen zu lassen. Klar ist: Der Künstler-Denker Thomas Feuerstein geht in die Totalität. Er denkt alles und noch viel mehr. Gerade deshalb: Wie ist das jetzt mit dem Selbst? Was braucht es, um das Selbst zu konstituieren? Wie ist das überhaupt mit dem Ich und dem Selbst, wenn das Ich nicht Herr im eigenen Haus ist? Wo wohnt dann das Selbst oder ist das Selbst die Hütte? Und: Ist man eigentlich immer bei sich selbst zu Hause? Vor allem aber möchte man wissen, welche Rolle in dem Ganzen das (Un-)Bewusste spielt, das doch wohl der vorherrschende Betreiber des “Betriebssystem Selbst” zu sein scheint? Die Fragen übertreffen die Antworten. Vielleicht handelt es…