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Titel: Die Kunst der Selbstdarstellung · von Christine Macel · S. 72 - 73
Titel: Die Kunst der Selbstdarstellung , 2006

Christine Macel
Das Selbst als Spiel mit dem eigenen Namen

Short Cuts 0: Sophie Calle

HYPERFIKTIONALER BERICHT. “1980 folgt Sophie Calle monatelang ihr unbekannten Leuten in den Straßen von Paris, aus reiner Freude am heimlichen Tun und nicht, ‚weil sie mich interessierten’, wie sie selbst schreibt. Sie fotografiert sie ohne deren Wissen, läßt sie dann wieder ziehen und wendet sich den nächsten zu. Zufällig wird sie eines Abends einem ihrer Opfer, Henri B., vorgestellt. Sie erfährt von ihm, daß er nach Venedig reisen will, und beschließt, ihm zu folgen. Daraus entsteht SUITE VENETIENNE, ein ebenso hyperrealer wie hyperfiktionaler Bericht aus Texten, Photos und kartografischen Eintragungen der verschiedenen Verfolgungswege. Henri B.’s gewöhnliche Existenz wird seltsam, mysteriös, und zwar nicht etwa, weil Sophie Calle etwas entdeckt, das über den banalen Ferienaufenthalt in Venedig hinausginge, nein, es ist ihre, Sophie Calles geheime Existenz selbst, die zum Geheimnis von Henri B.’s Leben wird. Sophie Calle ist der Schatten, der auf sein Leben fällt. Am achten Tag der Suche, nachdem sie ihn endlich vor ihr Auge und ihre Kamera bekommt und nach einer Stunde wieder verliert, behauptet sie in ihren Aufzeichnungen, Henri B. habe ihr bei ihrer ersten kurzen Begegnung gesagt, daß er Friedhöfe liebe, das sei das Einzige, was sie über ihn erfahren habe. Sie begibt sich deshalb zum alten jüdischen Friedhof des Lido und macht zwei Fotos von halbverfallenen Grabsteinen. Henri B. ist nicht da. ‚Es ist hier, wo er hätte sein müssen. Ich habe so sehr auf ihn gezählt.’” – Patrick Frey, in: “Parkett”,…


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