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Titel: Kunst und Ökologie · von Wendelin Schmidt-Dengler · S. 159 - 164
Titel: Kunst und Ökologie , 1988

Wendelin Schmidt-Dengler
Es sind Antikörper in der Natur

Zu Natur, Literatur und Ökologie

Zwischen Natur und Literatur, im besonderen Lyrik, scheint ein inniger, rational schwer faßbarer Bezug zu bestehen, den Robert Musil bereits in einem 1928 konzipierten Feuilleton ironisierte:

Wenn es sehr heiß ist und man einen Wald sieht, so singt man: »Wer hat dich, du schöner Wald, aufgebaut so hoch da droben?« Das geschieht mit automatischer Sicherheit und gehört zu den Reflexbewegungen des deutschen Volkskörpers. […] Dieses Lied wird mit der ganzen Unbeugsamkeit jenes Idealismus gesungen, den am Ende aller Leiden ein Getränk erwartet.1

Für den Skeptiker Musil besteht schließlich kein Zweifel, daß – heute – der beau désordre der Natur das Werk eines schlauen Försters ist. Für diesen kritischen Blick erscheint der Wald als etwas, das »meistens aus Bretterreihen besteht, die oben mit Grün verputzt sind«. Der Wald ist für Musil nicht mehr das poesiefähige Objekt, und die Poesie der Gegenwart muß erkennen, welche organisierenden Kräfte bereits hinter der Organisation des grünen Waldes, sprich: der Natur, stehen. Diese Mahnung Musils zum sorgfältigen Umgang mit der Natur ist kaum allzu ernst genommen worden. Über den Zweiten Weltkrieg hinaus hat sich die Natur im Gedicht nur allzu oft in dieser unvermittelt-naiven Form erhalten, und manche Gedichtsammlung liest sich eher als ein großes Herbarium denn als ein seriöser Versuch, der Natur auch mit der Sprache nahezukommen. Heimito von Doderer hat in der ‘Strudlhofstiege’ auch sein Urteil über die Naturemphase der Großstädter und nicht nur dieser gefällt:

Die ‘Natur’ war nun einmal erfunden worden (ja, eigentlich…


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von Wendelin Schmidt-Dengler

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