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Titel: Kunst und Ökologie · S. 57 - 58
Titel: Kunst und Ökologie , 1988

Manuel Chrysoloras

Wie kommt es, daß in uns, wenn wir ein lebendes Pferd oder einen Hund oder Löwen sehen (wie es jeden Tag der Fall sein könnte), nicht Bewunderung hervorgerufen wird, daß wir nicht über ihre Schönheit erfreut sind oder ihr wenig Bedeutung zumessen – und dies gilt auch für einen Baum, Fisch oder gar für Menschen (von denen einige uns in der Tat zuwider sind) – wenn wir aber das Bild von einem Pferd oder Stier, einer Pflanze, einem Vogel oder Mann betrachten, oder gar das einer Fliege, eines Wurmes, einer Stechfliege oder sonst eines widerwärtigen Tieres, werden wir vom Anblick solcher Bilder sehr bewegt und halten sie hoch in Ehren? Und dennoch sind Bilder sicher nicht genauer als ihre Vorlagen, denn sie werden in jenem Ausmaß gepriesen, in dem sie den letzteren zu ähneln scheinen.

Aber trotz aller Schönheit der Vorbilder werden sie von uns gering geachtet, während wir ihre Abbildungen bewundern. Wenig Beachtung schenken wir dem kunstvoll geschwungenen Schnabel eines Vogels oder der Hufenform eines lebenden Pferdes; wenn aber die Mähne eines bronzenen Löwen kunstvoll angeordnet ist, die Blätter eines steinernen Baumes ihre Adern zeigen, am Bein einer Statue Muskeln und Venen im Stein hervortreten – das gefällt uns, und es gibt viele, die liebend gerne mehrere lebende Pferde in bester Verfassung für ein steinernes von Phidias oder Praxiteles geben würden, auch wenn das letztere nur ein Bruchstück oder beschädigt sein sollte. Es wird ferner nicht für ungebührend gehalten, die Schönheit von Statuen und Gemälden zu betrachten (im Gegenteil,…

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