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Titel: Art & Pop & Crossover · von Thomas Gross · S. 152 - 155
Titel: Art & Pop & Crossover , 1996

Greil Marcus
»Hey DJ, warum spielst Du nicht diese supergute Nigger-Soulmusik?«

Die Graue Eminenz der Rockkritik über Lippenstiftspuren, Punk, Mode und Macht
Ein Gespräch von Harald Fricke und Thomas Gross

Harald Fricke/Thomas Gross: Der englische “Independent” hat Sie einen Lehnstuhlanarchisten genannt. Beleidigt Sie so was?

Greil Marcus: Nein, warum sollte ich mich davon angegriffen fühlen, wenn ein paar Journalisten sich eine Schlagzeile ausdenken müssen, um ihre Leser dazu zu bewegen, die Story zu lesen?

“Lipstick Traces”, Ihr zweites auf deutsch erschienenes Buch, beschreibt ausgiebig die Faszination, die Sie bei einem Konzert der Sex Pistols empfunden haben. Die alte Geschichte vom Intellektuellen, der sich von seinem Gegenpol angezogen fühlt?

Das ist möglich – wenn man von der Tatsache absieht, daß ich beim Konzert kein distanzierter Beobachter war, der sich zurücklehnt und begeistert zuschaut. Ich war wie gebannt von dem, was da wie ein Sturm auf mich zuzog. Jedes Gefühl auf der Bühne schien aus mir selbst zu kommen. Es war diese Art von bewußtseinsverändernder Erfahrung, die trotzdem nicht sonderlich befremdend wirkt. Es war unter anderem eine Rock-‘n’-Roll-Show – von denen ich mehr als genug gesehen habe -, und ich mache mir nicht vor, in ein Rock-‘n’-Roll-Konzert zu gehen, um dort etwas Aufregendes zu erleben.

Für “Lipstick Traces” ist dieser Moment des Konzerts dennoch ziemlich gut gewählt. Es ist das letzte Konzert der Band, Johnny Rotten erklärt, daß Punk tot ist. Sie betreten in dem Augenblick die Szene, wo das Schauspiel sich verflüchtigt. Das ist doch der ideale Einstieg für eine Rekonstruktion.

Natürlich gab es einen guten Titel…



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