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Titel: Art & Pop & Crossover · von Jean Baudrillard · S. 104 - 105
Titel: Art & Pop & Crossover , 1996

Jean Baudrillard
The Madonna Deconnection

In Sachen Madonna ist sich dem Anschein nach jedermann einig. Was sie uns vorführt, ist eine Übertreibung von Zeichen, ein permanentes Auf-die-Spitze-Treiben sexueller Symbole. Sex ist in diesem Universum nur als “hyper-sexuell” vorstellbar, wobei zugleich daran gearbeitet wird, DIE sexuelle Differenz, die Geschlechtertrennung ins Wanken zu bringen, wohlwissend, daß es sich dabei um einen kategorischen Imperativ der modernen Gesellschaft und Ästhetik handelte.

Ist das “Postmoderne”? Ich habe mit diesem Wort Probleme, ebenso wie mit anderen Begriffen, die in der gegenwärtigen amerikanischen Kunstdiskussion umherschwirren und für die Madonna als Paradebeispiel steht: die Debatte um “gender” (Geschlecht) und Macht. Dabei ist das Phänomen “Madonna” recht evident: eine offensive, aggressive Haltung, die Sex und Geschlechterbestimmung unter das Zeichen der Simulation stellt und in ein Theater des Scheins eintreten läßt, in dem sich aus der Ausschweifung heraus eine Umkehrung der Werte ergibt. Diese offensive Strategie einer Kreuzung der Geschlechter bis zur völligen Verwischung ihrer Unterschiede ist vielleicht “postmodern”.

Doch stellt sich eine andere Frage: Welchen Preis zahlt sie für die neue Sex- und Geschlechtssimulation, und welchen Preis zahlen wir dafür? Anders gesagt: Hat Madonna einen Körper? Die hyper-sexuellen Botschaften, die sie ausstrahlt, können dieses Stadium der Übertreibung nur erreichen, da sie sich an niemanden mehr wenden, nicht mehr einen Anderen zu verführen suchen und in einer Selbstbezüglichkeit stattfinden, die letztlich unheimlich und beängstigend wirkt. In dem persönlichen Universum, das Madonna aufbaut, existiert kein Anderer mehr, kein Anderssein, und sie ist in gewisser Weise in diesem Universum ganz allein. Sie wirkt als Gefangene…


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von Jean Baudrillard

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