Michael Stoeber
Ich. Zweifellos. 1309 Gesichter
Kunstmuseum Wolfsburg, 21.11.2009 – 28.3.2010
Wer sind wir, wenn wir Ich sagen? Die Frage nach der Identität ist eine eminent moderne. In früheren Zeiten gab es wenig Zweifel hinsichtlich der eigenen Verfassung. Es herrschte eine stolze Selbstgewissheit, die auch die bildliche Repräsentation des Ichs bestimmte. Wie in der hoch fahrenden Darstellung des Grafen Matthias Johann von der Schulenburg-Emden (1661-1745) durch den französischen, als Hofmaler in preußischen Diensten stehenden Rokokokünstler Antoine Pesne (1683-1757). Stolz und entschlossen, elegant und prächtig schaut der ruhmreiche Heerführer und Feldmarschall der Republik Venedig, der berühmte Vorfahre der Schlossherren von Wolfsburg, aus der Höhe seines Gemäldes auf den Betrachter. Mag auch das Abbild ein idealisierendes sein, Porträt und Modell, Bild und Wirklichkeit verbindet eine gemeinsame Vorstellung von der Art, wie der Porträtierte sich sah und gesehen werden wollte. Der Zerfall einer solchen festen Identität gehört dagegen zum philosophischen und psychologischen Inventar der Moderne. „Ich ist ein Anderer.“ dichtet Arthur Rimbaud im späten neunzehnten Jahrhundert und schafft für den Befund der Befremdung und des Fremdwerdens des Ichs die schlüssige und bis heute gültige, immer wieder zitierte Formel. Pesnes Bild des Grafen von der Schulenburg dagegen hängt wie das Echo einer fernen Zeit in der Porträt-Ausstellung des Wolfsburger Kunstmuseums. Ein geschichtlicher Abglanz, der als Kontrapunkt die Signaturen gegenwärtiger Porträts umso stärker hervorhebt. Wenn einem Bild in der sehenswerten Ausstellung der affirmative Titel der Schau „Ich. Zweifellos.“ zukommt, dann ihm. Allen anderen Bildern ist diese Selbstgewissheit längst abhanden gekommen
Sie stammen von insgesamt neun zeitgenössischen Künstlern, deren…