Kochen ohne Wasser
Mit extremer Bodenhaftung gelingt der 12. Manifesta in Palermo das Modell einer ortskompatiblen Biennale. Die Kunst führt sie dabei an den Rand der Sozialarbeit
von Ingo Arend
Meterhoher Bambus aus Burma, dunkelrote Malven aus Äthiopien, großblättrige Feigenbäume aus Australien. Wer durch Palermos Botanischen Garten schlendert, dem drängt sich das Bild unwillkürlich auf. Was ist der 1789 eröffnete Orto Botanico, einer der schönsten und ältesten Europa, anderes als eine Metapher für eine friedliche Koexistenz der Arten? Wenn alle so einträchtig nebeneinander gediehen wie die Pflanzen hier. Könnte die Welt dann nicht wieder zu dem Paradies werden, das sie zu biblischen Zeiten womöglich wirklich einmal war?
„The Planetary Garden. Cultivating Coexistence“. Die biophile Metapher, zu der sich die Manifesta vor zwei Jahren als Motto ihrer 12. Ausgabe von Palermos grünem Juwel und dem gleichnamigen Buch des französischen Philosophen Gilles Clément inspirieren ließ, führt natürlich etwas in die Irre. Pflanzen gehen nicht bewusst ins Exil. Und friedliche Nachbarschaft wächst nicht auf Mistbeeten. Aber wenige Tage, nachdem die neue italienische Rechtsregierung zwei Rettungsschiffe mit über 600 Flüchtlingen die Einfahrt in Italien verweigerte und sich überall in Europa die ethnisch „reinen“ Nationen wieder einmauern, erwies sich das Thema der 1996 gegründeten, europäischen Wanderbiennale plötzlich als das politische Signal der Stunde.
Kaum ein anderer Ort in Europa eignet sich mehr dafür. Die von Phöniziern gegründete Metropole Siziliens, später von Griechen, Arabern und Normannen beherrschte Stadt ist seit jeher eine Kreuzung der Kulturen. „In Palermo gibt es keine Flüchtlinge. Jeder, der hierherkommt, ist ein Bürger der…