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Fragen zur Zeit · von Michael Hübl · S. 36 - 39
Fragen zur Zeit , 2018

Fragen zur Zeit
Michael Hübl

Schatten der Idole

Lenin on the road, Marx in aller Munde und die Welt auf dem Trumpolin

Unheitere Landpartie: In strammer Haltung und starren Blicks erklimmen sie eine Passstraße. Immerhin nicht zu Fuß, sondern auf dem langen Aufleger einer kilowattstarken Zugmaschine. Einer von ihnen ist Wladimir Iljitsch Lenin. Für ihn handelt es sich um so etwas wie eine Rückreise. 1917 ging es mit aktiver Förderung der deutschen Reichsregierung Richtung Russland, im Sommer 2003 geht es gen Süden. Mitten im Ersten Weltkrieg nutzte das Deutsche Reich den von der zaristischen Staatsmacht verfolgten Revolutionär, der im Schweizer Exil auf seine Stunde gewartet hatte, als Waffe gegen den Feind im Osten. Nach dem immergleichen Prinzip: Destabilisierung im Innern erleichtert das Zerschlagen von außen. Der Coup mit Lenin ging auf. Truppen wurden frei, um von Deutschlands Oberster Heeresleitung an die Westfront verschoben zu werden: noch mehr Wahnsinn, noch mehr Tote. Wer in solchen Zeiten Macht erlangt, den kümmert nicht, wie viele Todesopfer die Durchsetzung der eigenen politischen Ziele nach sich zieht. Da lag es denn nahe für Denkmäler, die an Lenen, den Heroen des Kommunismus, erinnern sollten, ein Material zu wählen, das per se unerschütterliche Festigkeit signalisiert. Aus karelischem Granit sägte, meißelte und schliff denn auch Gregori Danilowitsch Jastrebnezkij das Denkmal, das 1974 anlässlich des 25. Jahrestags der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) vor dem Dresdener Hauptbahnhof platziert und nach dem Zusammenbruch des Staates dem schwäbischen Unternehmer Josef Kurz sen. überlassen wurde. Schnell weg damit….


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