Heinz Schütz
Kontinuität und Differenz
»Realismus. Das Abenteuer der Wirklichkeit«
Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung, München, 11.6. – 5. 9.2010
Die groß angelegte, dem Realismus gewidmete Ausstellung spannt einen Bogen von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis heute und bringt dabei unterschiedlichste historische und zeitgenössische Positionen ins Spiel. Die Frage stellt sich: Wo liegt ihr kleinster gemeinsamer realistischer Nenner? Welchen historischen Veränderungen ist der Realismus unterworfen? Geht es im Realismus um die Art der Darstellung, geht es um das Dargestellte? Die gewöhnliche und eher schlichte Verwendung des Begriffs tendiert dazu, die Darstellung, sprich: die optische Ähnlichkeit zwischen Bild und Abgebildetem als entscheidendes Definitionsmerkmal hervorzuheben. So betrachtet könnte bereits in der Antike ein Höhepunkt des Realismus vermutet werden: Zeuxis trieb die optische Ähnlichkeit so weit, dass sich, so will es die Überlieferung, selbst Vögel von seinen gemalten Trauben täuschen ließen. Doch sind illusionistische Täuschung und Realismus tatsächlich dasselbe? Man muss nicht Platonist sein, um diese Frage, zu verneinen. Die Stärke der optischen Illusion ist kein Gradmesser für den Realismus der Kunst – einerseits. Andererseits: Welche Abweichung vom Ähnlichkeitsprinzip gestattet realistische Kunst? Welches Realitätsverständnis steht im Hintergrund, wenn sich der Realismus, jenseits semantischer Dimensionen, auf das Wahrnehmbare beschränkt? Kommt es letztlich nicht auch auf das Dargestellte an? Gab und gibt es nicht längst antimimetische Tendenzen, die den Realismus gleichsam auf die Spitze treibend, das Bild durch das Reale ersetzten? Hat sich nicht längst im Baudrillardschen Sinne das Verhältnis von Bild und Realität umgekehrt?
Die Ausstellung gibt, vorweg sei es gesagt, nur bedingt Antworten auf derartige Fragen. Sie…