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Titel: Kunst der Fiktion der Kunst · von Matthias Lengner · S. 198 - 203
Titel: Kunst der Fiktion der Kunst , 2010

Matthias Lengner
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Als die römische Welt dabei war, ungeheure Gebiete zu besetzen, verfügte Rom über eine einzige Sprache und bediente sich ihrer, um zu herrschen. Als die werdende Kirche sich der bekannten Welt bemächtigte und daran ging, von Jahrhundert zu Jahrhundert Länder, Meere und Kontinente zu erobern, verfügte sie über ein einziges Werkzeug der Gedankenvermittlung: das Latein. Als Europa mit Feuer und Schwert nach einer neuen Grundlage suchte, um das dunkle Zeitalter zu überwinden, war das Latein das Transportmittel des zentralen Gedankens.“ 1

Das Lateinische war die Weltsprache einer imperialen, verschwundenen Kultur, deren Ausläufer heute als Vulgärsprache in unterschiedlichen Abarten weiterexistiert. Die durch sie bezeugte Kultur taucht heute nicht nur in archäologischen Funden auf, sondern auch in vulgarisierten kulturellen Kontexten. Wie für das Lateinische seinerzeit kann man heute eine ähnliche Rolle für die angloamerikanische Sprache und Kultur feststellen. Die alle Lebensbereiche erfassende Globalisierung in den wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und kommunikativen Austauschprozessen von nomadisierenden, reisenden und exilierenden Menschen auf einem übervölkerten Planeten läßt es für viele aus rein pragmatischen Gründen opportun und bequem erscheinen, das Englische zu benutzen. Es ist bereits vielerorts erkennbar, wie die angloamerikanische Kultur mit der Verbreitung ihrer Sprache ihre Kultur in allen Facetten in andere Gesellschaften mit oder ohne zu Hilfenahme von Gewalt und mit ähnlich imperialer Geste wie die Römer seinerzeit zu implantieren sucht.

Insofern bedeutet die Benutzung des Lateinischen in meinen Bildern einen ironischen und kulturkritischen Rekurs, der nicht nur dem technologie- und modernegläubigen Zeitgenossen einen Spiegel vorhält. Nicht nur in überlieferten schriftstellerischen Dokumenten oder der…


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von Matthias Lengner

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