SEAN SCULLY:
“Kunst setzt voraus, daß man nackt ist und dadurch offener wird”
Ein Gespräch von Heinz-Norbert Jocks
Sean Scully, in Dublin geboren und in London aufgewachsen, beschloß, als er in New York ankam, ein echter Immigrant zu werden. Einerseits angetan von dem puritanischen Charakter der Minimal-art, wehrte er sich andererseits gegen das Korsett ihrer verengten Ästhetik, der er immerhin noch heute eine “ethische und moralische Klarheit” bescheinigt. Doch vermißte er so etwas wie Metaphysik und Emotionalität, für die er als Maler eintritt. Zu seinen Vorbildern gehören Mondrian, vor allem Mark Rothko und der frühe Frank Stella. Es erstaunt, zu sehen, welche Palette von Gefühlen er hervorruft im Rahmen seines nichtgegenständlichen Formenrepertoirs, das zwischen Streifen und schachbrettartigen Quadratstrukturen oszilliert. Mit Sean Scully sprach Heinz-Norbert Jocks.
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H.-N.J.:Was hat Rock`n Roll mir Ihrer Malerei zu schaffen?
S.S.: Nun ja, meine Kunst ist mit dem Rhythmus der zeitgenössischen Musik angefüllt, die wie die Kunst das Leben widerspiegelt. In der Vergangenheit stellte ich fest, daß alles Irische recht linear, musikalisch, streng und gleichzeitig lebensbejahend ist. Mit neunzehn hatte ich den R&B-Club, in dem amerikanische Rhythm and Blues-Musik gespielt wurde, u.a. von John Lee Hooker, Muddy Waters und Sunny Boy Williams. Diese Soul-Musik, die ja einem Verlustgefühl entspringt, berührt die Seele. Nun ja, jedenfalls war der Club schnell populär, obwohl er erst kurz geöffnet hatte. Außerdem spielte ich in meinem Studio jene Musik, deren Einfluß mir wichtig war. Meine Eltern waren Meistertänzer in Spanien. Als ich klein war, ging ich ins Varieté, wo ich in der ersten Reihe saß,…