Maribel Königer
L’hiver de l’amour
ARC – Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris,10.2. – 13.3.1994
45 Künstler aus elf Ländern. Disko, Filme, Videos, Modenschauen, Spielautomaten, Striptease, Maskeraden, Frauen mit geschlechtslosem Unterleib und statt Handlesen gibt es biographische Séancen. “Winter der Liebe” nennt sich blumig diese Show mit Menschen, Tieren, Sensationen, die die beiden Kunstkritiker Elein Fleiss und Olivier Zahm von der jungen Pariser Zeitschrift “Purple Prose” zusammen mit drei Künstlern, Dominique Gonzales-Foerster, Bernard Joisten und Jean-Luc Vilmouth, für das Musée d’Art Moderne konzipiert haben. Dem bizarren Wintermärchen ging bereits ein Mitsommernachtsspektakel voraus. “June” hieß letztes Jahr in besagtem Monat eine quirlige Ausstellung der Galerie Thaddaeus Ropac, an der 36 Künstler teilnahmen, ausgewählt vom selben Team, verstärkt von Dike Blair und Anne Fremy. Sechzehn der vorwiegend sehr jungen Künstler dieser Auswahl mit Happening-Charakter, die die Direktorin des Museums, Suzanne Pagé, so sehr beeindruckte, daß sie die Kuratoren um ein Projekt für ihr Haus ersuchte, finden sich entsprechend auch in “L’hiver de l’amour”.
Mit dem Argument “10 Francs für einen ganzen Tag im Museum” tritt die Ausstellung in unausgesprochene, doch ernstzunehmende Konkurrenz zum ohnehin genug gebeutelten Euro-Disney (Tageskarte zum ermäßigten Wintertarif: 175 Francs) und zum selbstgefälligen Louvre (40 Francs). Abwechslungsreiche Daueranimation für den Besucher und temporäre Sondervorstellungen zu festgelegten Zeiten bieten alles, was zu einem seriösen Freizeitpark gehört. Vom Musentempel zum Amüsierschuppen, so lautet vielleicht hier die heutzutage unumgängliche Kritik der Institutionen, ist es nur ein kleiner Schritt. Um alle Videos, Diaprojektionen, Soundtracks, Vorführungen etc. ganz mitzubekommen, muß man tatsächlich Stunden im Museum…