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Titel: Grosse Gefühle · von Detlef Bernhard Linke · S. 165 - 175
Titel: Grosse Gefühle , 1994

Detlef B. Linke
Neuroästhetik, Aschematismus und Kreativität

UNTER ANDEREM: EIN BEITRAG ZUR ENTKNOSPUNG DES NEGATIVEN

I. Das Künstlerparadoxon: Kreativität versus Subjektivität

Die Kreativität des Künstlers findet sich nicht selten unter einem schwer zu meisternden Paradoxon. Der Künstler möchte Subjekt des kreativen Prozesses sein und nicht ohne weiteres etwas austragen, was nicht “sein Eigenes” ist. Die Subjektivität und die Inbesitznahme des “Eigenen” setzen jedoch die Unterwerfung zahlreicher Emotionalkräfte und auch “großer Gefühle” unter das wie auch immer entworfene Subjekt voraus. Eine derartige Unterwerfung versucht man sich traditionell in der Art einer Negation vorzustellen: Gefühle werden negiert, damit sie dann vom Subjekt kontrolliert eingesetzt werden können. Schöpferische Prozesse, soweit sie denn von den Tiefen der Seele mit getragen werden, können als Gefährdung des Subjekts empfunden werden. Es erscheint vielen verdächtig, sich einem schöpferischen Prozeß auszuliefern, statt ihn aus der höchsten Steuerung der Subjektivität entspringen zu lassen. “Austrag” klingt nach höheren Mächten – und die sind verdächtig.

Im Ergebnis steht der Künstler dann mit seiner reinen leeren Subjektivität da, die keinerlei individuelles Strickmuster mehr aufweist, und sieht sich nicht selten gezwungen, auf technisch-pharmakologische Stimulationsmittel zurückzugreifen, um einen Prozeß der Generierung in Gang zu setzen, der nach der Verpönung des Geniekults das genant wirkende Aufscheinen einer nicht beherrschten Individualität abwehren, zugleich aber auch beherrschte Individualität inszenieren helfen soll.

Das Ergebnis lautet dann nicht selten, daß Individualität gar nicht mehr zum Ausdruck kommt, sondern die Verbindung von formaler Allgemeinheit der sich selbst setzenden Subjektivität und ihrer daran angeknüpften technischen Instrumentalisierungswut eine Dynamik erzeugt, die genauso unübersichtlich und unbeherrschbar wie der…


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von Detlef Bernhard Linke

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