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Titel: Der gerissene Faden · von Jan Verwoert · S. 205 - 208
Titel: Der gerissene Faden , 2001

JAN VERWOERT
Maximale Sichtbarkeit

Nicht-lineare Gefühls-Effekte in den Videos von Ellen Cantor

Gefühle sind immer schon Kino. Das heißt: Gefühle sind nicht unabhängig von ihren Ausdrucksformen, von Gesichtsausdrücken, Körperhaltungen oder Posen. Man verstünde ja gar nicht, was jemand anders fühlt, wenn er oder sie beim Ausdruck seiner oder ihrer Gefühle nicht immer schon auf das Vokabular einer irgendwie gebräuchlichen Körpersprache zurückgriffe. Einer Körpersprache, die man im Kino oder Fernsehen lernt. Streit in der Beziehungen etwa trägt man im Stil französischer Autorenfilme aus. Persönliche Sinnkrisen artikuliert man mit Mitteln des expressionistischen Stummfilms usw.1 Jede Gefühlsdramaturgie kennt ihre besonderen Stilmittel. Mit diesen Stilmitteln arbeitet Ellen Cantor in ihren Videos: Sie schneidet emotional aufgeladenes Bildmaterial aus dem Zusammenhang linearer Spielfilm-Erzählungen heraus und montiert es neu. So entsteht aus Filmfragmenten ein nicht-lineares Emotionskino.

1. Kitsch & Horror

“You sound like a movie” sagt Er zu Ihr, als Sie Ihm begeistert ihre Liebe gesteht. Sie ist die Erzählerin in Cantors Videofilm “Within Heaven and Hell”. Er ist der Mann, mit dem Sie die Affäre beginnt, von deren Verlauf und unglücklichen Ausgang Sie im Film berichtet: Die beiden treffen und verlieben sich, haben fantastischen Sex. Beim Wiedersehen in London aber verhält Er sich plötzlich abweisend. Es stellt sich heraus, dass Er eine reiche Frau heiraten wird. Der Hochzeitstermin steht schon fest. Katastrophe. Trotzdem schlafen sie miteinander, aggressiv und zärtlich zugleich. Das endgültige Aus kommt auf einer Museumseröffnung in Berlin: Er ist mit seiner Verlobten da. Sie flüchtet, denkt an Selbstmord. Die Frau am Hotelempfang tröstet sie: “Don’t worry. The darkest…


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