Raimar Stange
Postdemokratie und Kunst
Kapital I
Geht man davon aus, dass auch Kunst sich nicht im luftleeren Raum bewegt, sondern in einem konkreten gesellschaftlichen Kontext, dann liegt die Frage nahe, in wie weit auch das Betriebssystem Kunst von postdemokratischen Momenten infiziert ist. Genauer: Finden sich auch im Kunstsystem Symptome, wie gnadenlose Kommerzialisierung, nivellierende Globalisierung und der Abbau von eigentlich verabredeten demokratischen Spielregeln?
Kapital II
In seinem Video „Kunstmarkt TV“, 2008, zeigte der Berliner Videokünstler Christian Jankowski auf der alljährlich stattfindenden Kunstmesse Art Cologne eine eigene Koje. In dieser sollte ebenfalls Kunst verkauft werden und zwar im Format eines Teleshoppingkanals, der sein Studio auf der renommierten Messe eingerichtet hat. Dort versuchte ein smartes Moderatorenpaar teure Kunst von „Stars“ wie Franz West, Raymond Pettibon oder Jeff Koons an den Sammler zu bringen – und scheiterte glanzvoll. Mit einem ironischen Augenzwinkern thematisiert Christian Jankowski hier den strategischen Schulterschluss von Kommerzialisierung, Medien und Kunst, der in den letzten Jahren das Betriebssystem Kunst zunehmend charakterisiert hat. So ist die Anzahl der Galerien allein in Berlin von etwa vierzig Mitte der 1990er Jahre angestiegen auf knapp 600 heute. Gleichzeitig wird in TV-Kanälen wie vor allem ARD, ZDF, den „Dritten“, Arte oder 3sat immer mehr und länger über zeitgenössische Kunst berichtet – meist auf einem zweifelhaften Niveau, man denke etwa nur an die allzu menschliche und eitle Kritiker-Talkrunde „Bilderstreit“ auf 3sat. In Großbritannien wird sogar die Verleihung des renommierten Turner-Preises live im TV übertragen. Schließlich und vor allem stellen Künstler, nachdem man in den 1990er Jahren im Kontext der…