Rainer Unruh
Poul Gernes
»Retrospektive«
Deichtorhallen, Hamburg, 8.10.2010 – 16.1.2011
Er hat der Firma, die ihn ein Leben lang mit Lackfarben versorgte, ein künstlerisches Denkmal gesetzt, und wenn man durch die Ausstellung in der größeren der beiden Hamburger Deichtorhallen geht, dann versteht man auch warum. Die Stellwände glühen im Glanz von Rot und Blau, Grün und Gelb, Orange und Schwarz, mal in horizontalen Streifen, mal in konzentrischen Kreisen auf Hartfaserplatten aufgetragen, eine fröhliche, bonbonbunte Feier der Popmoderne. Poul Gernes (1925-1996) hätte gegen eine naive Freude an dieser Pracht nichts einzuwenden gehabt. Der Däne verstand sich als Volkskünstler mit therapeutischem Auftrag. In einem Interview von 1962 erklärte er programmatisch: „Ein Künstler ist dazu da, um eine geschwächte seelische Verfassung wieder in Ordnung zu bringen.“
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Gernes, der Rebell gegen eine elitäre Museums- und Galerienkunst, heute vor allem von Künstlerkollegen geschätzt wird. Der New Yorker Maler und Filmregisseur Julian Schnabel, im Oktober in Hamburg mit dem Douglas-Sirk-Preis ausgezeichnet, ließ es sich nicht nehmen, die noch im Aufbau befindliche Gernes-Ausstellung zu besuchen, wo er sich vor allem für das Werk der Fünfzigerjahre begeisterte. Einige der ausgestellten Arbeiten stammen aus der Sammlung des Künstlers John Armleder, und es war Cosima von Bonin, die 2001 im Hamburger Kunstverein eine Hommage an den Künstler unter dem Titel „Bruder Poul sticht in See“ in Szene setzte. Auch Tobias Rehberger schätzt das Oeuvre des Skandinaviers, der das Innere ganzer Krankenhäuser und Schulen gestaltete, so wie der Deutsche es mit der Cafeteria der Biennale in Venedig…