Rainer Metzger
Relektüren
Folge 23
Nelson Goodman – Sprachen der Kunst
Im Herbst 1992 widmeten sich die vom Centre Pompidou herausgegebenen „Cahiers” einem exotischen Thema. In einer Mischung aus, wie es im Vorwort heisst, „Nationalismus, institutionellem Konservativismus und Kirchturmperspektive“ war dieses Thema bis dato völlig missachtet worden. Es lautete: „Nelson Goodman und die Sprachen der Kunst“. Tatsächlich hatte die analytische Philosophie keine Konjuktur in der Diskursgesellschaft, und die Frankolatrie, wie sie nicht nur im Kunstbetrieb grassierte, blickte an den angelsächsischen Denkhaltungen, auch wenn sie sich wie Goodman, der tatsächlich einige Zeit in den Dreissigern eine Galerie geleitet hatte, ums Ästhetische bemühten, stramm vorbei. Das gilt beileibe nicht allein für die Franzosen. Rosalind Krauss zum Beispiel, die Seismografin des Zeitgeists, gibt in ihrer weltberühmten Anthologie „The Originality of the Avant-Garde and Other Modernist Myths“ von 1985 den Meisterdenkern ihr Stelldichein, und von Lacan bis Foucault und Barthes und Bataille im Übermaß passieren die einschlägigen Namen Revue. Der Name Goodman kommt nicht vor. Von Columbia nach Harvard, wo Goodman seit 1968 lehrte, war es weiter als bis über den Atlantik. Auch auf diese Weise wird es kartografiert, das Global Village der Diskursivität.
Einer Ehrenrettung, wie sie vor fünfzehn Jahren allen Ernstes für nötig erachtet wurde, bedarf es heute natürlich nicht mehr. Als Goodman 1998 starb, war er ebenso hochbetagt wie hochgeehrt, und unter der Observanz der momentan akklamierten Hirnforschung gilt die analytische Philosophie als die methodische Einlösung des neuronal sowieso Fälligen. Worauf Goodmans Gedanken hinsteuerten, als er sich 1968 die „Sprachen der Kunst“ vornahm, um…