Thomas Feuerstein
Die Poiesis realer Prozesse
Ein Gespräch von Sabine B. Vogel
In Thomas Feuersteins oft raumgreifenden Installationen treffen Themen der Philosophie, Kunstgeschichte und Biotechnologie auf Aspekte der Ökonomie und Politik. Oft geht es dabei um Fragen existentieller Grundparameter, nach dem Ursprung des Lebens, aber auch nach den Möglichkeiten autonomer Maschinen und allwissender Algorithmen. Seine Ausstellungen erinnern an Laborküchen, manchmal an eine Fabrik. Auf seiner Suche nach neuen Bedeutungszusammenhängen ist Faktisches oft nicht klar von Fiktivem zu trennen, wenn Feuerstein etwa über einen chemischen Prozess im Ausstellungsraum das synthetische Halluzinogen Psilamin gewinnt oder mit Algen experimentiert.
Sabine B. Vogel: Du hast schon früh mit Algen gearbeitet – was interessiert dich an biochemischen Prozessen als künstlerisches Material?
Thomas Feuerstein: Die Mikroalge Chlorella vulgaris ist ein Modellorganismus in der Botanik, an dem u.a. die Fotosynthese erforscht wurde. Sie dient mir als konzeptueller Knoten, der Fäden aus unterschiedlichen Narrativen verstrickt: David Rockefeller wollte mit Chlorella den Hunger der Welt bekämpfen, später sollte sie das Klima retten und nebenbei Biomasse für Rohstoffe und Energie liefern. In der kleinen Grünalge verdichten sich die großen Probleme der Welt.
Wann hast du erstmals mit Algen experimentiert?
Vor über zwanzig Jahren, und die ersten Experimente mit Algen im Atelier waren bescheidener. Ich kultivierte wie ein Landwirt in meinen Manna-Maschinen Algen zur Gewinnung von Pigment für Malereien oder baute eine prozessuale Skulptur zur hydrothermalen Karbonisierung, um aus dem Kohlenstoff der Algen Stifte für meine Zeichnungen zu fertigen. Parallel entstanden auch Materialien für das „Geistige“: Die Spirituose Tono-Bungay wurde aus fermentierten…