Fragen zur Zeit
Das All als neues Malle
Michael Hübl
Vamos a Marte: Die Flutkatastrophe vom Sommer 2021 und die Sehnsucht nach dem Mars
Schuld war das Schlagwort der Stunde. Selten erhielt der Name eines abgeschiedenen Ortes derart rasch traurige Prominenz. Schuld: Der Name, das Wort wirkte umso schlagkräftiger, sprich: erschütternder, als sich der Weltgeist, das Schicksal, die Natur, der Zufall oder sonst eine unergründliche Instanz eine bittere Botschaft erlaubt zu haben schien. Ein makabres Menetekel. Eine Mahnung garniert mit Schlamm und Schutt. Mit einer Schmutzschicht, die das Elend bekräftigt, die Schmerz, Leid und Trauer wie ein Marker unterstreicht. Dass die für Teile Europas verheerende Flutkatastrophe vom Juli 2021 ausgerechnet eine Gemeinde besonders heftig traf, die Schuld heißt, gab den Ereignissen die Aura eines göttlichen Strafgerichts archaischer Zeiten. Mit voller Wucht: Schuld.
Flugs folgte die Suche nach Schuldigen. Politisch können solche investigativen Anstrengungen das Verantwortungsbewusstsein schärfen, ökonomisch sind sie für alle von Belang, die finanzielle Mittel aufwenden müssen, um Hilfsmaßnahmen zu ermöglichen, Schadensersatz zu leisten oder den Wiederaufbau voranzutreiben. Psychologisch kann es Linderung bringen, wenn sich ein Adressat finden lässt, auf dem die Traumatisierten ihre in Wut transformiertes Entsetzen abladen können. Also ploppten Fragen auf wie: Hat der Katastrophenschutz versagt? War die Regierung zu träge? Wurde an den falschen Stellen gespart, indem man reihenweise Sirenen abbaute?
So wichtig investigatives Nachbohren war, im Augenblick der Notlage bewirkte es wenig, schon gar keine Entlastung. Zu groß war der Horror, zu tief saß das Schrecken. Bilder von Menschen, die mit leerem Blick auf ihre dreckdurchweichten, zu Sperrmüll…