Wie EON ihr Engagement als Kultursponsor versteht.
Ein Gespräch mit Dorothee Gräfin von Posadowsky-Wehner
Von Heinz-Norbert Jocks
Spätestens seit dem im Kunstforum International abgedruckten Gespräch, in dem sich Jean-Hubert Martin, der ehemalige Direktor des Museums Kunstpalast erstmalig darüber äußerte, was eigentlich hinter den Kulissen passierte und was ihn zu seinem vorzeitigen Weggang von Düsseldorf bewegte, weiß man um die Eingriffe seitens von EON als Sponsor in seine künstlerische Freiheit und Autonomie. Zweimal wurde er aufgefordert, eine Ausstellung der Sammlung Olbricht zu machen, und die Ausstellung „Bonjour Russland“ wurde schließlich an ihm vorbei mit russischen Partnern realisiert. Vor dem Hintergrund der damaligen Ereignisse wollte Heinz-Norbert Jocks erfahren, was für ein Konzept und was für Vorstellungen von Kunst und Kultur dem Sponsorring von EON zugrunde liegen und warum das eine gefördert und das andere ausgeklammert wird. Dazu sprach er mit Dorothee Gräfin von Posadowsky-Wehner (Jahrgang 1971, Studium der Diplom-Kulturwirtschaft an der Universität Passau), die seit 2002 Leiterin im Bereich Kulturkommunikation der E.ON AG ist.
H.-N.J.: Als was sehen Sie sich selber? Welche Rolle in der Vermittlung füllen Sie aus? Was reizt Sie an Ihrer Position?
P.: Die Verbindung zwischen Kultur und Wirtschaft, eben die Verbindungsstelle zwischen beiden Welten zu sein. Die Kraft beider Seiten zu nutzen, um gute und interessante Projekte anzutreiben, die für beide Partner Sinn machen, darin sehe ich meine Aufgabe. Dabei geht es nicht nur um die Vermittlung, sondern auch um die Realisierung von Projekten, die einen Mehrwert für das Unternehmen sowohl nach außen als auch nach innen für die Mitarbeiter haben.
Was heißt da Mehrwert?
Natürlich hat unser Kulturengagement nichts mit dem Kerngeschäft zu tun. Als freiwillige Aktivität ist es Teil unseres gesellschaftlichen Engagements, zu dem sich E.ON verpflichtet fühlt. Das ist das eine. Dieses Engagement ist gleichzeitig aber auch ein Beitrag zur Reputation des Unternehmens, sowohl nach außen als auch nach innen. Es richtet sich sowohl an die Öffentlichkeit als auch an die Mitarbeiter, die zu einem Teil wegen ihrer Tätigkeit für E.ON in die Stadt gezogen sind, und zu dieser Attraktivität gehört auch ein entsprechendes Kulturangebot. Die Attraktivität des Unternehmensstandortes spielt eine große Rolle. Das erklärt auch, warum der Großteil unserer Aktivitäten standortbezogen ist.
Nun findet da ja ein spezielles Tauschgeschäft zwischen Unternehmen, Kulturinstitutionen und Künstlern statt?
Mich irritiert der Begriff „Tauschgeschäft“. Das hört sich so nach Bazar an.
Es ist ein Tauschgeschäft, insofern Sie beispielsweise einer Kulturinstitution Geld geben und Sie sich dafür ein durch das Kunstereignis ermöglichtes positives Image erhoffen.
Sie reduzieren unser Engagement auf Sponsoring, und Ihren Worten haftet beim Thema Geld etwas Negatives an. Warum? Es gibt keinen Tausch. Es gibt Leistung und Gegenleistung. Sponsoring ist eine Form unserer Kulturförderung. Es gibt noch diverse andere. Die Spenden sind z.B. rein mäzenatisch, weil hier für die Förderung keine Gegenleistung verlangt wird, bzw. aus steuerlichen Gründen nicht verlangt werden darf. Daneben gibt es andere Formen der Unterstützung, wie beispielsweise die Vergabe von Kunstpreisen, Kooperationen mit Stiftungen, Mitgliedschaften, Corporate Volunteering und schließlich die Public Private Partnership. Dieses Modell der Kulturförderung verbindet uns seit 10 Jahren mit der Stadt Düsseldorf.
Reden wir darüber, wie sich E.ON engagiert…
Der Schwerpunkt des Kulturengagements von E.ON liegt im Sponsoring sowohl von großen Kunstausstellungen als auch von Konzerten im Bereich der klassischen Musik. In den Regionen, d.h. außerhalb der Städte Düsseldorf, Essen, München und Berlin, engagieren sich E.ON-Gesellschaften aktiv bei Literatur- oder Kunstpreisen, bei Theaterinszenierungen oder Festivals. Es gibt vielfältige andere Formen der Kulturförderung, die über das reine Sponsoring von großen Kunstausstellungen hinausgehen.
Alles in allem geht es wohl darum, dem Konzern mehr öffentliche Aufmerksamkeit mithilfe von Kultur und ein besseres Image zu verschaffen.
In erster Linie will sich E.ON aktiv als Teil der Gesellschaft einbringen. Dass diese Aktivitäten auch als Plattform für Kommunikation, für den Dialog mit wichtigen Zielgruppen genutzt werden, gehört zu unseren Kommunikationsaufgaben.
Verweilen wir bei dem Begriff der Kommunikation, was verstehen Sie darunter?
In Bezug auf unser Thema – die Kultur – ist das Engagement eines Unternehmens in diesem Bereich ein sehr wirkungsvolles Kommunikationsinstrument. Wirkungsvoll deshalb, weil es auch ein interaktives Medium der Dialogkommunikation ist. Wenn ein Unternehmen wie EON auch noch eine Kunstsammlung hat, so stellt sich die Frage der Kommunikation. Ich kann die Bilder in irgendwelche Büros aufhängen, oder bei denjenigen, die sich für das, was ein Unternehmen ankauft, das Interesse forcieren.
Vermutlich hatte E.ON Berater für den Aufbau seiner Sammlung.
Ja, wir lassen uns beraten. Natürlich wächst so eine Sammlung organisch. Die ersten Ankäufe fanden in den 70er Jahren statt.
Wie läuft überhaupt der Entscheidungsprozess innerhalb Ihres Hauses ab?
Ein Expertengremium macht dem Vorstand Vorschläge, der entscheidet dann.
Wo werden Grenzen gezogen? Was wird gefördert, und wo unterlässt man es?
Wir konzentrieren uns stark auf ausgewählte langfristige Partnerschaften mit kulturellen Einrichtungen. Dazu gehören Häuser wie das museum kunst palast, das Folkwang Museum oder das Lenbach Haus. Im Musikbereich ist es zum Beispiel das Klavier Festival Ruhr. Es ist nicht Teil unserer Strategie, nur eine bestimmte Kunstrichtung zu fördern. Wir sind erheblich offener, wie unsere Entscheidung für die Thomas-Demand-Ausstellung in der Berliner Nationalgalerie zeigt. Wir haben uns entschieden, die durch unsere Förderung der Jeff Koons- und Paul Klee-Ausstellungen im Jahre 1998 bestehenden Kontakte zur Neuen Nationalgalerie zu intensivieren.
Wie kam der Kontakt zur Nationalgalerie zustande?
Wir hatten bereits langjährige Kontakte zum Verein der Freunde der Nationalgalerie. 1997 haben wir erstmals konkrete Projekte besprochen.
Warum Ihr Engagement in Berlin? Weil sich Berlin als Metropole mehr und mehr internationalisiert?
Wenn Sie einmal beobachten, was sich dort alles seit der Wiedervereinigung verändert hat und wie sich die Unternehmen dort positioniert haben, fällt auf, dass sie sich in Berlin alle eine Plattform schaffen. Berlin, seit jeher kulturell sehr lebendig, ist eine wachsende, international beachtete Hauptstadt geworden. Der Multiplikationseffekt im Kulturengagement ist hier um ein vielfaches höher als in anderen Großstädten.
Ist Kunst für Sie so etwas wie ein Mantel, den man sich umlegt, weil man darin schöner wirkt?
Äußere Schönheit kommt von Innen! Aber im Ernst – wir müssen uns keinen Mantel umhängen. Unser Engagement hat dafür viel zu viel Substanz.
Aber es ist doch so, dass man sich mithilfe von Kunst, die man fördert, ein anderes Aussehen gibt.
Wir schmücken uns nicht mit der Kunst. Wir unterstützen sie und verhelfen ihr zu einer noch größeren öffentlichen Aufmerksamkeit.
Zurück zu den Grenzen, die jede Förderung hat: Wo werden sie gezogen? Wie weit reicht das Spektrum des Engagements?
Wir konzentrieren uns in erster Linie auf langfristige Partnerschaften, Beispiel: museum kunst palast. Hier stellt sich nicht die Frage, was wir wollen oder nicht. Denn es handelt sich um ein Haus mit eigenständiger Leitung und programmatischer Ausrichtung. Das Museum erstellt ein Jahresprogramm, wir entscheiden dann, welche Projekte für E.ON als Sponsoringplattform interessant sind.
Bezogen auf das Kommunizierbare, könnte man zwischen zwei extremen Konzepten wählen. Man kann, wie Sie es tun, sich dadurch profilieren, dass man Kunstausstellungen fördert, die so noch nie zu sehen waren, weil bekannte Meisterwerke erstmalig zusammengetragen werden, oder eben Künstler, die bereits eine hohe Zustimmung erzielt haben. Ich könnte mir auf der anderen Seite aber auch die Eleganz eines Engagements vorstellen, wo man Dinge unterstützt, nach denen in Europa noch kein Hahn kräht, obwohl es höchstinteressant wäre, und die zudem auch ideell und ästhetisch in Europa noch gar nicht oder allzu wenig präsent sind. Damit würde man im Zeitalter der Globalisierung einer alternativen Vorstellung von Globalisierung zu mehr Aufmerksamkeit verhelfen, die auf eine Gleichberechtigung aller Kulturen pocht. Und ich könnte mir auch vorstellen, dass man Ausstellungen unterstützt, die den herrschenden Kunstdiskurs in Frage stellen. Nun benutzen Sie den Begriff der Kommunikation, und es geht Ihnen ja offensichtlich darum, etwas kommunizierbar zu machen. Eine Kultur des Anderen zu hypen, damit könnten Sie auf lange Sicht auf völlig ungewöhnliche Weise verblüffen und mehr als andere punkten.
Ich verstehe, worauf Sie hinaus wollen. Höre ich da einen Vorwurf heraus?
Es ist kein Vorwurf, sondern ein Vorschlag. In meinen Augen gibt es diese beiden extremen Vorstellungen von Sponsoring, und vielleicht kann ich Sie ja für das Außergewöhnliche erwärmen.
Ich bin Kommunikationsmensch, und deshalb fällt bei mir häufiger das Wort Kommunikation. Nehmen wir einmal die große MOMA-Ausstellung in Berlin als ein Extrem. Dieses Projekt war unter Kommunikationsgesichtspunkten ein sehr erfolgreiches. Daneben gibt es aber viele interessante, ideell stärkere Projekte. Obwohl diese keine größere öffentliche Aufmerksamkeit erzielen, sind sie in unseren Augen förderungswürdig. Beispiel die Altäre-Ausstellung. Weil wir der Ansicht sind, dass wir beides benötigen, unterstützen wir das museum kunst palast in beide Richtungen. In einer Form, die dem Haus die vollständige Freiheit in der Programmgestaltung gibt und Raum für die Umsetzung wertvoller, ideeller Aktivitäten erlaubt. Wir sind aber auch der Meinung, dass ein solches Haus, um sich besser in der breiten Öffentlichkeit zu positionieren, darüber hinaus Ausstellungen mit großer Publikumsresonanz benötigt. Es schafft sich auf diese Art eine höhere Aufmerksamkeit für Projekte und Aktivitäten, die Sie ansprechen und die wahrscheinlich auf Anhieb nicht eine große Wahrnehmung finden, insbesondere dann nicht, wenn das Museum der breiten Öffentlichkeit nicht bekannt ist. Die Demand-Ausstellung ist einfach unglaublich erfolgreich.
Aber das war von vornherein vorhersehbar.
Was ist schon vorhersehbar? In diesem Fall war ausschlaggebend, dass viele starke Partner in enger Zusammenarbeit gemeinsam zum Erfolg beigetragen haben.
Ich will gar nicht in Abrede stellen, dass durch E.ON noch eine zusätzliche Dynamik ins Spiel gekommen ist. In meinem Idealismus stelle ich mir gerade deshalb vor, dass gegengängige Diskurse, die in Zeiten der Globalisierung eigentlich dringlicher wären, mithilfe des Sponsorings eine Aufwertung erfahren und so mehr Aufmerksamkeit erzielen könnten. Ereignisse werden gemacht.
Aber sehen Sie sich einmal die aktuelle Situation an! Wenn man das kulturelle Leben in Deutschland betrachtet mit allen Einrichtungen und Aktivitäten, und daneben die Finanzierung stellt, werden die Grenzen schnell klar. Da sind zum einen die Fixkosten der Häuser, die monatlich aufgebracht werden müssen, und zum anderen die Projekte, die finanziert sein wollen. Zu einem Großteil sind die kulturellen Institutionen durch die öffentliche Hand in ihrem laufenden Betrieb abgesichert, aber die Projekte sind es oft nicht. Bezüglich dieser Projekte bedarf es einer zusätzlichen Finanzierung durch Sponsoren. Es gibt im Museumsbereich z.B. viele Ausstellungsprojekte, die sich weder mit den vorhandenen Mitteln noch aus Eintrittsgeldern und Katalog- und Merchandisingverkauf finanzieren lassen. Diese Lücken müssen geschlossen werden. Da sind Unternehmen wie E.ON aus ihrem Selbstverständnis heraus willkommen.
Nun sprach ich davon, dass man über die Richtung von Sponsorring einmal nachdenken könnte, und Sie kommen auf die Kosten zu sprechen, die Museen nicht mehr tragen können. Es scheint für Sie doch so etwas wie eine Hierarchie zu geben, wonach bestimmte Kunstausstellungen wie die von Demand als erste Unterstützung verdienten. Wer entscheidet darüber? Welches sind die Kriterien? Wer bestimmt diese? Bleiben wir bei Ihren Aktivitäten. Nun weiß ich, dass Sie über Kunst recht gut informiert sind, und Sie wissen so gut wie ich, dass es neben den gerade angesagten Fotografen beispielsweise auch noch andere gibt, die noch nicht durchgesetzt, aber qualitativ nicht schlechter, vielleicht sogar besser sind. Künstler und Fotografen aus dem Bann ihrer Unbekanntheit zu befreien, könnte doch ebenfalls reizvoll sein. Wenn man als Sponsor vor allem dort einsteigt, wo der Markt bereits entschieden hat, wer zu den Top Ten gehört, trägt man ja nur mit dazu bei, dass die Zahl der Künstler, denen Aufmerksamkeit zukommt, relativ überschaubar und die Komplexität der ästhetischen Felder reduziert bleibt. Es könnte doch ein interessantes Konzept von Sponsoring sein, die Peripherie zu zentralisieren, oder?
Sie haben recht, es gibt viele Künstler, bei denen man darüber erstaunt ist, dass sie so bekannt und angesagt sind, und fragt sich andererseits, warum andere Künstler mit hoher Qualität unterrepräsentiert oder gar nicht repräsentiert sind. Es ist aber nicht Aufgabe des Sponsors hier zu intervenieren! Ich gerate doch dann gleich in den bei uns in Deutschland so kritisch diskutierten Konflikt, ob sich Sponsoren in die Programmgestaltung einmischen dürfen oder nicht.
Es geht nicht um Einflussnahme, sondern darum, mit anderen starken Partnern zu kooperieren, die beispielsweise als Ausstellungsmacher in der Weise, wie ich es beschreibe, bereits aktiv und unterwegs sind.
Ich bleibe dabei. Ein Unternehmen wie E.ON ist kein Produzent von Kultur. Wir sind in der Rolle des Förderers, und das sind wir ganz bewusst. Wir haben aber Partnerinstitutionen, deren Expertise die Auswahl von Künstlern und Kunstausstellungen und die Erstellung eines Programms ist. Wir könnten die Kooperation mit bestimmten Häusern beenden und uns neue Partner suchen, die vielleicht experimenteller sind. Aber warum sollten wir, wo wir doch mit unseren bisherigen Partnern erfolgreich waren? Die Auswahl der Künstler liegt hundertprozentig in der Hand der Kulturinstitute.
Doch haben Sie sich doch aber einmal recht deutlich in die Programmgestaltung eingemischt, nämlich bei „Bonjour Rußland“, der Ausstellung, die im museum kunstpalast gezeigt wurde und von Ihnen gewollt war.
Das ist richtig. Wir haben mit unseren Kontakten nach Russland Türen zu den russischen Museen öffnen können. Der Einfluss der Wirtschaft auf Kunstausstellungen ist aber nicht so groß, wie in der Regel unterstellt wird.
In dem Fall war es aber doch eindeutig der Fall. Nun sprachen Sie anfangs davon, dass das Engagement auch in das Unternehmen hineingetragen wird. Was tun Sie, um Ihr Engagement bei den Mitarbeitern verständlich zu machen?
Bei allen Projekten, die wir fördern, achten wir darauf, dass auch die Mitarbeiter davon profitieren. Sie erhalten alle freien Eintritt mit einer Begleitperson, zudem reduzierte Katalogpreise und diverse Angebote für Führungen und Workshops.
Wie viele Mitarbeiter nehmen das Angebot an?
Sehr viele, die Resonanz wächst ständig. Die Mitarbeiter haben z.B. von Demand gehört und darüber auch viel in der Presse gelesen, und wir haben das auch intern via Intranet und Mitarbeiterzeitung kommuniziert. Viele Mitarbeiter haben Geschäfts- und Privatreisen nach Berlin mit einem Besuch der Ausstellung verbunden. Es gibt zudem viele Mitarbeiter, die sehr gerne Kunstwerke für ein kleineres Budget kaufen wollen. Oft wissen sie aber nicht, an wen sie sich am besten wenden können. Außerdem gibt es Hemmschwellen. Deshalb hat E.ON eine Dokumentation erstellt, die einen Überblick über die verschiedenen Wege zum Kunstkauf liefert. Da sind Auktionshäuser und Hinweise aufgelistet, worauf man zu achten hat, und auch die relevanten Kunstmessen mit Terminen und Erklärungen. Neben Online-Kunsthändlern werden auch Kunstberater genannt.
Liegt dem Engagement von E.ON ein Konzept oder eine Vorstellung von Kunst zugrunde?
Zweites muss ich ganz deutlich verneinen.
Wenn man aber einmal darauf schaut, wo sich E.ON engagiert, so lässt sich doch ein ästhetisches Programm ohne Programm herauslesen.
Naja, wir haben natürlich eine Vorstellung davon oder ein Gefühl dafür, welche Ausstellungen kommunikatives Potential oder die Potenz haben, gut vermarktet zu werden. Aber das ist unabhängig von der Ästhetik eines Thomas Demand oder eines Cézanne.
Wo liegen die bisher erreichten Extrempunkte Ihres Engagements oder Ihres Förderprogramms?
Nehmen wir auf der einen Seite eine Ausstellung wie „Bonjour Russland“, die bisher die besucherstärkste Ausstellung im museum kunst palast war und die sehr stark von uns vermarktet wurde, und auf der anderen Seite das Engagement von einer E.ON-Gesellschaft in Thüringen, die die Vergabe eines Literaturpreises in Höhe von 6000 Euro durch die Stadt fördert. Von E.ON gesponsort, sollte ihn Ingo Schulze erhalten. Doch dieser wehrte und beschwerte sich. Von einer Refeudalisierung der Kultur redend, fand er es unmöglich, dass ein solcher Preis von der E.ON, statt von der Stadt kommt. Dies war eine massive Kritik sowohl an der öffentlichen Hand als auch an den Sponsor.
Da hatten Sie viel Aufmerksamkeit, wenn auch negative, für wenig Geld.
Ja, das war wirklich heftig. In der Presse schlug es unheimlich große Wellen, weil ein Schriftsteller hinterfragte, wer den Preis bezahlt, mit dem er geehrt werden sollte. Am Ende nahm er ihn doch entgegen, um ihn weiterzugeben.
Zurück zu „Bonjour Russland“, warum war für E.ON die Ausstellung so wichtig?
Insbesondere auch deshalb, weil wir seit Jahren enge Geschäftsbeziehungen nach Russland pflegen. Dass wir die Werke bekamen, war ein Glücksfall. Denn Kooperationen mit den Russen sind nicht gerade einfach, wie sich in England zeigte. Um die hochkarätigen Werke aus Russland ausgeliehen zu bekommen, musste dort kurzfristig ein Gesetz geändert werden. Sonst hätten die Russen es aus Angst vor Restitutionsansprüchen nicht erlaubt, die Werke auf die Reise zu schicken.
Inwiefern haben Sie von der Ausstellung darüber hinaus, dass die Besucherzahlen stimmten, profitiert? Werden Geschäfte möglich?
Eine Ausstellung führt nicht zu Geschäftsabschlüssen, das wäre zu einfach. Es gelingt aber, den Dialog zu intensivieren und auf eine andere informelle Ebene zu heben. Ein Unternehmen kann die Verbindung zwischen zwei Ländern, in diesem Fall, Russland und Deutschland nicht nur auf einer wirtschaftlichen, sondern auch auf einer anderen Ebene, der kulturellen, fördern.
Nun ist ja oft für den Fortgang der Beziehungen sowohl auf wirtschaftlicher als auch auf anderen Ebenen die Atmosphäre zwischen den Partnern entscheidend. Für die politischen Beziehungen zwischen zwei Ländern wie Deutschland und Russland sind Putins und Schröders gemeinsame Schlittenfahrten durch die verschneite Landschaft sowie das private Zusammensein im Haus des russischen Präsidenten wohl wichtiger als die Gespräche über gemeinsame Vereinbarungen. Man schafft also eine freundschaftliche Atmosphäre des Wohlbefindens und gegenseitigen Wohlwollens. Gelang mit einer Ausstellung wie „Bonjour Russland“ so etwas?
Am Rande sicher auch, aber das war nicht unsere Hauptmotivation. In erster Linie wollten wir eine große Ausstellung mit unserer Hilfe im museum kunst palast ermöglichen.
Öffentlichkeitsarbeit spielt bei Ihnen eine große Rolle. Wie werden Kontakte zu den Medien geknüpft?
Es geht zum einen darum, die Projekte populär zu machen. Etwas, was in Deutschland oft schwierig ist, ist die Erwähnung des Sponsors. Wir freuen uns natürlich über eine möglichst große Resonanz in den Medien über die Projekte, die wir fördern. Doch das kommt nicht von alleine und schon gar nicht im Feuilleton der Zeitungen, in denen die von uns geförderten Ausstellungen und Konzerte besprochen werden. Die meisten Redakteure empfinden dies als Schleichwerbung für ein Unternehmen. Das kann ich auch bis zu einem gewissen Grad verstehen, aber nicht desto trotz ist es natürlich unser Interesse, als Förderer erwähnt zu werden.
Die Nichterwähnung ist ein Manko, den Sie natürlich auszugleichen versuchen. Aber wie?
Wir führen einen permanenten Dialog mit den Medien.
Wie sieht das genau aus? Was tun Sie, um zu erreichen, dass Sie in einer Zeitung als Förderer erwähnt werden?
Es gibt viele Medien, die sich kooperativ zeigen. Was ich natürlich verstehen kann, ist, dass es für die Redakteure eine Geschichte geben muss, eine Story um die Ausstellung herum. Im Fall von „Bonjour Russland“ gab es z.B. Interessantes zu berichten beispielsweise, wie Werke durch E.ON nach Deutschland kommen konnten. Für einige Redakteure war danach auch deutlich, dass E.ON nicht nur einen finanziellen Beitrag geleistet hat, sondern darüber hinaus auch eine Vermittlerrolle spielte.
Ich komme noch einmal darauf zurück, was ich vorhin zu entwickeln versuchte. Im Fall von Demand bleiben Sie als Sponsor auf der sicheren Seite, anders ausgedrückt im herrschenden Kunstdiskurs. So gut wie keiner würde derzeit gegen Demand schreiben. Alle, einschließlich Werner Spies, feiern ihn als großen Fotografen. Er ist weder eine Neuentdeckung, sondern bereits gemacht, noch eine wirkliche Überraschung und auch keiner, der wirklich irritiert. Er bedient den herrschenden Diskurs recht subtil und bewegt sich sehr geschickt innerhalb seiner Logik. Wenn man diesen Diskurs von außen betrachtet, sieht man seine Begrenzungen sowohl auf einer inhaltlichen wie auch auf einer ästhetischen und zudem kulturellen Ebene. Das wird einem spätestens bei intensiver Beschäftigung mit chinesischer, indischer oder russischer Kunst bewusst. Ist für Sie ein erneutes Nachdenken über Kulturförderung vorstellbar?
Es ist immer richtig, Dinge zu hinterfragen und darüber nachzudenken, ob nicht Anderes ebenso erfolgreich sein könnte. Aber ich denke pragmatisch. Man sollte nicht vergessen, in welcher Zeit wir uns heute befinden. Wir haben eine Wirtschafts- und Finanzkrise, und da können wir dankbar sein, dass es in Deutschland so viele Unternehmen und Bürger gibt, die sich freiwillig engagieren, finanziell und in vielerlei anderer Hinsicht. Das finde ich prima, denn wir haben in Deutschland grundsätzlich eine andere Haltung bezüglich privates Engagement als z.B. in Ländern wie Amerika. In Deutschland herrschte immer die Haltung, die öffentliche Hand regelt schon alles. Insofern muss man dankbar sein, dass es private Sponsoren gibt. Gemeinsam mit anderen Sponsoren sorgen wir für eine Vielfalt in der Kulturförderung.
Doch in der Regel ist diese Vielfalt auf das längst Bekannte begrenzt, also nicht so vielfältig. Haben Sie Dank für das Gespräch!
 
                               
    