Uta M. Reindl
Als Unternehmerfamilie tendieren wir zum konstruktiven Streit.
Ein Gespräch mit Thomas Grässlin, Sprecher der Familienstiftung
Die Medien zitieren es immer wieder gerne: Die “Grässlins” gehören heute sicherlich zu den einflussreichsten Familien der zeitgenössischen Kunstwelt. Doch jenseits des Medienklischees haben sie in ihrer Heimatstadt Sankt Georgen ein ungewöhnliches Sammlungspräsentationskonzept entwickelt und umgesetzt: 150 Arbeiten, darunter 20 Großinstallationen aus der Sammlung Grässlin, werden nun ab Juni in dem kleinen Schwarzwaldstädtchen in den Räumen zur Kunst – in ehemaligen Geschäften und Fabriketagen – sowie dem extra für sie errichteten Kunstraum Grässlin präsentiert. Die Geschwister Bärbel, Karola, Sabine und Thomas Grässlin, die kontinuierlich die moderne Sammlung ihres Vaters Dieter Grässlin durch aktuelle Kunst erweitert haben, sind die Kuratoren der ungewöhnlichen Sammlerpräsentation.
Thomas Grässlin, die Sammlungsgeschichte Ihrer Familie geht auf Ihren Vater zurück. Was bewegte Dieter Grässlin zur Kunst, was brachte ihn zum Sammeln?
Mein Vater kam aus einfachen Verhältnissen, mein Großvater war Lehrer, die Großmutter Hausfrau. Da kann man also die Spur zur Kunst nicht finden. Dieter Grässlin war grundsätzlich ein neugieriger Mensch. Früh schon, während der Gründungszeit seiner Firma für Zeitschaltuhren, sammelte er: Antiquitäten beispielsweise. Er war ein sehr überlegter, ein reflexiver Mensch, er stellte sich alle möglichen Fragen, und konnte natürlich die die Antworten darauf irgendwann in den Antiquitäten nicht mehr finden. Dies führte zu den ersten Begegnungen mit regionalen Künstlern. In den sechziger Jahren kamen dann die Impulse vom Informel. Diese Kunstrichtung bedeutete damals nach dem Krieg eine Art Befreiungsschlag, und auch mein Vater erlebte diese künstlerische Befreiung nach den verheerenden Katastrophen…