Ralf Beil
“ATLAS MAPPING”
OK Linz, 6.6. – 11.7.1997
Kunsthaus Bregenz / Magazin 4, 21.2. – 5.4.1998
Wieso ist Island größer als Italien? Was haben Prilblumen zwischen Hochhäusern und Stadtplänen zu suchen? Und wo um Himmels willen liegt die “Refugee Republic”? So kurios diese Fragen scheinen mögen, so subversiv sind ihre Antworten in der Linzer und Bregenzer Ausstellung “Atlas Mapping. Künstler als Kartographen – Kartographie als Kultur”. Die ambitionierte Schau verfolgt nicht nur kartographische Reflexionen in der zeitgenössischen Kunst, sie postuliert zugleich einen grundlegenden Paradigmenwechsel: fort von der Repräsentation, hin zu “cultural mapping”.
Die älteste uns bekannte topographische Darstellung ist die Karte von Nuzi, datiert auf 3800 vor Christus. Seit dieser babylonischen Tontafel gilt: Jede Karte ist eine Abstraktion, eine symbolische Aneignung von Wirklichkeit. Ein Machtmittel und eine Projektion. Das Mittelalter sah darin kein Problem: Ob Karte, Malerei oder Skulptur, es war ohnehin alles “Imago”. Auch das Universalgenie der Renaissance, Leonardo da Vinci, hatte nicht im mindesten etwas gegen machtvolle Strategien der Weltaneignung. Gerne war er Cesare Borgia als Kartograph zu Diensten. Bei Vermeers “Allegorie der Malerei” und El Grecos “Ansicht und Plan von Toledo” eröffnet sich dagegen bereits ein kunstimmanentes Spiel mit der kartographierten Welt. Die Karte selbst bleibt als Bild im Bild jedoch unangetastet. Erst Künstler des 20.Jahrhunderts haben es sich zur Aufgabe gemacht, dem Positivismus der Koordinaten eigene Kartierungen entgegenzuhalten, die unwillkürlichen und willkürlichen Projektionen der Kartographie zu ironisieren oder dekonstruieren.
Was im Surrealismus begann, gewinnt nach Land Art und Konzeptkunst heute nochmals an Bedeutung. Geopolitische Aspekte rücken im Zeichen der…